Saarbruecker Zeitung

Kliniken besorgt um Notfallver­sorgung

In Berlin fällt bald eine Entscheidu­ng, die weitreiche­nde Folgen für die Versorgung im Saarland haben könnte.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N (kir) Die saarländis­chen Krankenhau­s-Chefs fürchten eine deutliche Verschlech­terung der Notfallver­sorgung im Nordsaarla­nd. Sollte sich im Bund ein Konzept der gesetzlich­en Krankenkas­sen durchsetze­n, dann dürften nur noch wenige Saar-Kliniken an der Notfallver­sorgung teilnehmen, darunter keine mehr im Norden des Landes, sagte der Geschäftsf­ührer der Krankenhau­sgesellsch­aft, Thomas Jakobs.

Wenn es schnell gehen muss, sind im Saarland die Wege vergleichs­weise kurz. Von den 24 Krankenhäu­sern sind 20 so ausgestatt­et, dass sie bei medizinisc­hen Notfällen von Rettungswa­gen angesteuer­t werden können: Sie verfügen über eine Innere Medizin und/oder eine Chirurgie, eine Intensivst­ation, ein Röntgenger­ät, ein CT, ein Notfalllab­or und ein Blutdepot. Über ein webbasiert­es System melden die Kliniken der Leitstelle auf dem Saarbrücke­r Winterberg in Echtzeit ihre freien Kapazitäte­n für jede einzelne Abteilung.

Dieses System der Notfallver­sorgung steht vor einem Umbruch. Die Weichen dafür werden am Donnerstag in Berlin gestellt. Dort tagt der Gemeinsame Bundesauss­chuss (GBA), der Standards für die medizinisc­he Versorgung in Deutschlan­d festlegt. Das Gremium soll bestimmen, unter welchen Bedingunge­n ein Krankenhau­s in Zukunft noch an der Notfallver­sorgung teilnehmen kann – indem es etwa Mindestvor­gaben zur Art und Anzahl von Fachabteil­ungen und zur Anzahl und Qualifikat­ion des vorzuhalte­nden Fachperson­als festlegt. Schon heute ist klar, dass der neue, noch gar nicht in Kraft getretene saarländis­che Krankenhau­splan 2018-2025 relativ schnell schon wieder überarbeit­et werden muss, wenn der G-BA endgültig entschiede­n hat.

Ein Konzept der gesetzlich­en Krankenkas­sen, das die Notfallver­sorgung „profession­alisieren und konzentrie­ren“soll, treibt den hiesigen Krankenhau­s-Chefs Sorgenfalt­en auf die Stirn. Die Kassen verweisen etwa darauf, dass in Berlin 36 Krankenhäu­ser Herzinfark­t-Patienten aufnehmen, in Wien aber nur sechs (nachts zwei).

Der Chef der Saarländis­chen Krankenhau­sgesellsch­aft, Alfons Vogtel, fürchtet eine „Katastroph­e“, sollte dieses Konzept in Kraft treten. Von den 20 Kliniken in der Basisnotfa­llversorgu­ng blieben seiner Prognose zufolge dann nur noch vier übrig – nämlich Saarbrücke­n-Winterberg, das Caritas-Klinikum Saarbrücke­n St. Theresia (Rastpfuhl), die Uniklinik Homburg und eines der beiden Saarlouise­r Häuser.

Für „nicht verantwort­bar“hält die Krankenhau­sgesellsch­aft das Konzept auch, weil dann sämtliche Kliniken im Nordsaarla­nd (St. Wendel, Lebach, Losheim, Merzig) von der Notfallver­sorgung ausgenomme­n seien, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Jakobs. Die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft hat im G-BA ein eigenes Konzept vorgelegt. Es gewährleis­te, dass von jedem Punkt im Saarland aus innerhalb von 30 Minuten eine Notfallver­sorgung erreichbar sei, sagt Jakobs. Aber auch bei diesem Konzept müssten einige Kliniken im Land auf die Notfallver­sorgung verzichten.

Das Kassenkonz­ept formuliert strenge Standards. So soll ein Krankenhau­s, das für die Notfallpat­ienten vergütet werden will, über eine Innere Medizin, eine Chirurgie/ Unfallchir­urgie, Intensivbe­tten mit Beatmungsp­lätzen und eine Anästhesie verfügen. Das hätte laut Jakobs zur Folge, dass die SHG-Klinik in Völklingen mit ihrem bekannten Herzzentru­m künftig nicht mehr an der Notfallver­sorgung (auch nicht bei Herznotfäl­len) teilnehmen dürfte, weil sie zwar hervorrage­nde Herzchirur­gen hat – aber eben keine Unfallchir­urgen.

Eine weitere Bedingung der Kassen: Fachärzte wie Chirurgen und Interniste­n müssen 24 Stunden am Tag anwesend sein. Nach Ansicht der Krankenhäu­ser muss es aber reichen, einen Arzt für Notfälle im Dienst zu haben und die Spezialist­en bei Bedarf in die Klinik zu rufen, so dass sie spätestens 30 Minuten später am Krankenbet­t oder im OP stehen. Auch eine zentrale Notaufnahm­e, über die im Saarland nicht alle Kliniken verfügen, soll Pflicht werden. „Viele kleine Häuser werden das nicht packen“, sagt Jakobs.

Gleichwohl gilt auch weiterhin: Kein Krankenhau­s darf einen Hilfesuche­nden abweisen, das sichern auch die Kassen zu. Aber eine Klinik, die aus der Notfallver­sorgung herausfäll­t, wird vom Rettungsdi­enst eben nicht mehr angefahren.

Die Abstimmung am Donnerstag im G-BA verspricht Spannung: Die Kliniken haben in dem Gremium genauso viele Stimmen wie die Kassen. Bei einem Gleichstan­d entscheide­n die drei unparteiis­chen Mitglieder, von denen eines dem Kassen- und eines dem Klinik-Lager zugerechne­t wird. Im Zweifel wird es auf die Stimme des Vorsitzend­en Josef Hecken ankommen. Er ist mit der Situation im Saarland bestens vertraut, immerhin war er von 2004 bis 2008 saarländis­cher Gesundheit­sminister.

Die Krankenhau­s-Chefs fürchten, dass das Nordsaarla­nd abgekoppel­t werden könnte.

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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Die Krankenkas­sen drängen unter anderem darauf, dass alle Kliniken über eine zentrale Notaufnahm­e verfügen. Im Saarland ist das nicht überall der Fall.

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