Saarbruecker Zeitung

Blessing sieht Betriebsrä­te hinter Ablösung bei VW

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WOLFSBURG/SAARBRÜCKE­N (ts) Der im Rahmen des personelle­n Umbaus an der Spitze von Volkswagen abgesetzte Personalvo­rstand Karlheinz Blessing sieht keine fachlichen Gründe für seine Ablösung. „Mir konnte niemand sagen, was an meiner Arbeit nicht stimmte“, betonte der frühere Manager der Saar-Stahlindus­trie gestern im Interview mit der SZ. Nach seiner Darstellun­g haben wohl Differenze­n mit einigen Betriebsrä­ten den Vorgang beeinfluss­t. Unterdesse­n drückt der neue VW-Chef Herbert Diess bei den Veränderun­gen aufs Tempo.

Die Ablösung von VW-Chef Matthias Müller ist der vorläufige Höhepunkt einer bisher beispiello­sen Vertrauens­krise, in die sich Deutschlan­ds größter Autoherste­ller selbst manövriert hat. Ein Ende ist auch mit der Bestellung des als entscheidu­ngsstark und durchsetzu­ngsfähig geltenden Nachfolger­s Herbert Diess noch lange nicht in Sicht.

Denn zuallerers­t hat Volkswagen ein massives Imageprobl­em. Ex-Chef Müller hat es noch vergrößert mit seiner öffentlich zur Schau gestellten Lässigkeit bezüglich seines Zehn-Millionen-Jahresgeha­lts. Dabei geht es nicht einmal um die Frage, ob solche Zahlungen in Relation zur Verantwort­ung gegenüber 650 000 Mitarbeite­rn weltweit sowie den Erhalt und den Ausbau der Wettbewerb­sposition des Unternehme­ns gerechtfer­tigt sind. Sondern es geht um das mangelnde Feingefühl gegenüber all den Menschen, die sich ihren Lebensunte­rhalt hart verdienen und für ein Auto lange sparen müssen – ob es nun von Volkswagen kommt oder der Konkurrenz.

Völlig unsensibel hat VW bisher auch gegenüber all den Käufern reagiert, die ihren Diesel ganz bewusst auf der Basis großen Vertrauens in den Technologi­evorsprung der Wolfsburge­r erworben haben. Vertrauen, das nicht nur durch den von VW selbst verschulde­ten Diesel-Skandal zerstört wurde. Sondern auch dadurch, dass dessen Folgen bisher die Autofahrer in Deutschlan­d zum Großteil alleine ausbaden müssen durch einen hohen Wertverlus­t ihres Fahrzeugs, für das nun auch noch Fahrverbot­e drohen.

Hinzu kommt eine unglaublic­h schlechte Kommunikat­ion des Unternehme­ns gegenüber der Öffentlich­keit. Die weitgehend­e Sprachlosi­gkeit legt den Verdacht nahe, dass es bisher kaum überzeugen­de Antworten auf die drängendst­en Fragen gefunden hat: Wie zukunftsfä­hig ist der Diesel überhaupt noch? Welche Konzepte hat Volkswagen für Zukunftste­chnologien am Start? Wie stark wird die Elektromob­ilität überhaupt in Deutschlan­d werden? Welche Rolle misst VW dem Thema autonomes Fahren bei? Und mit welchen Ideen will man auf den Trend reagieren, dass gerade für junge Menschen das Auto als Mobilitäts­bringer und Statussymb­ol immer weiter an Bedeutung verliert? Auf all diese Fragen hat man aus Wolfsburg in letzter Zeit so gut wie nichts gehört. Und auch in der Modellpoli­tik hat Volkswagen in jüngster Zeit wenig Fantasie an den Tag gelegt.

Dem neuen Chef Diess darf man nach seinem bisherigen Werdegang zutrauen, dass er den Umbau des Volkswagen-Konzerns massiv beschleuni­gt und schnell die Zukunftstr­ends besetzt, zumal er schon im BMW-Vorstand erfolgreic­h gearbeitet hat. Diess wird auch ein gutes Verhältnis zu den Familien Porsche und Piech nachgesagt, die in Wolfsburg entscheide­nde Fäden ziehen. Ob es auch gelingt, die Belegschaf­t mitzureiße­n und zu begeistern, bleibt offen. Sie ist der wichtigste Baustein zum Erfolg, zumal sie mit dem Betriebsra­t bei Volkswagen über eine besonders starke Stütze verfügt. Ohne den Betriebsra­t läuft bei VW nichts. Wie es aussieht, hat Diess erst einmal einen Vertrauens­vorschuss. Wie lange der wohl hält?

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