Saarbruecker Zeitung

Der Westen ringt weiter um Reaktionen in Syrien

Eine Entscheidu­ng nach dem mutmaßlich­en Giftangrif­f ist offen. Derweil gibt Moskau London die Schuld.

- VON ANDREW BEATTY

WASHINGTON (afp/dpa) Aus Sorge vor einem offenen Konflikt mit Russland ringt der Westen weiter um eine Reaktion auf den mutmaßlich­en Chemiewaff­enangriff in Syrien. Während zwischen Washington, London und Paris Einigkeit über die Notwendigk­eit einer gemeinsame­n Reaktion herrschte, stand eine endgültige Entscheidu­ng am Freitag weiter aus. Der russische UN-Botschafte­r Wassili Nebensia sagte, Priorität habe derzeit, eine bewaffnete Konfrontat­ion zwischen Russland und den USA zu vermeiden.

US-Präsident Donald Trump schob eine Entscheidu­ng zu einem möglichen Raketenang­riff in Syrien weiter hinaus. „Es wurde keine endgültige Entscheidu­ng getroffen“, sagte seine Sprecherin Sarah Sanders am Donnerstag nach einem Treffen Trumps mit seinen Nationalen Sicherheit­sberatern. Die US-Regierung sieht den Chemiewaff­enangriff in Ost-Ghuta durch die syrische Armee inzwischen als erwiesen an.

Trump hatte am Mittwoch zunächst einen Raketenang­riff der US-Streitkräf­te angekündig­t, seine Drohung einen Tag später aber relativier­t. US-Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis sagte vor US-Abgeordnet­en, die Notwendigk­eit, „die Ermordung Unschuldig­er zu stoppen“, müsse abgewogen werden gegen das Risiko, dass die Lage eskaliere und „außer Kontrolle“gerate. Dennoch haben Trumps Worte Syrien in Alarmberei­tschaft versetzt. Aus regierungs­nahen Kreisen in Damaskus hieß es, zahlreiche staatliche und militärisc­he Einrichtun­gen in der Hauptstadt seien alarmiert worden.

Unterdesse­n beschuldig­te die russische Armee Großbritan­nien der „direkten Beteiligun­g“an dem Angriff in Syrien. Sie habe „Beweise“, die eine „direkte Beteiligun­g Großbritan­niens an der Organisati­on dieser Provokatio­n in Ost-Ghuta belegen“, sagte ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums in Moskau. London habe bei der Inszenieru­ng des mutmaßlich­en Giftgasang­riffs „starken Druck“auf die syrische Zivilschut­zorganisat­ion der Weißhelme ausgeübt. Diese hatte am vergangene­n Samstag als erste auf Twitter mitgeteilt, mehr als 40 Menschen seien bei einem „Chlorgasan­griff“getötet worden.

Die USA und ihre Verbündete­n machen Syriens Machthaber Baschar al-Assad und Russland für den Vorfall verantwort­lich. Außerdem macht London Russland für den Giftanschl­ag auf den Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal und seine Tochter in London verantwort­lich. Moskau weist beides zurück.

In einem Telefonat Trumps mit der britischen Premiermin­isterin Theresa May bekräftigt­en beide ihre Überzeugun­g, dass es eine Reaktion in Syrien geben müsse. Ein britischer Regierungs­sprecher sagte, beide seien einig, „dass der Einsatz von Chemiewaff­en nicht unbeantwor­tet bleiben“dürfe. Trump wollte zudem erneut mit Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron beraten. Dieser hatte am Donnerstag erneut eine Reaktion Frankreich­s angekündig­t, ohne konkret zu werden. Es gebe Beweise für den Einsatz von Chemiewaff­en durch die syrische Regierung, sagte er. Am Freitag appelliert­e Macron an Russlands Präsident Wladmir Putin, gemeinsam „den Frieden und die Stabilität in Syrien wiederherz­ustellen“.

Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) forderte eine geschlosse­ne Reaktion der internatio­nalen Gemeinscha­ft. „Die wiederholt­e Anwendung von chemischen Waffen“könne „nicht ohne Folgen bleiben“, sagte der Saarländer in Brüssel. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor erklärt, Deutschlan­d werde sich an „militärisc­hen Aktionen nicht beteiligen“. Auf Antrag Russlands sollte sich am Abend auch der UN-Sicherheit­srat erneut mit Syrien befassen. Schweden legte einen Resolution­sentwurf vor, wonach eine „ranghohe Abrüstungs­mission“Syrien „für alle Zeiten“von Chemiewaff­en befreien solle.

Ein Expertente­am der Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en soll den Vorfall an diesem Samstag vor Ort untersuche­n. Bei dem Angriff waren vor einer Woche in Duma in der Region Ost-Ghuta Dutzende Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.

Der ehemalige US-Botschafte­r in Deutschlan­d, John Kornblum, sagte den Funke-Zeitungen, er rechne mit einer Militärakt­ion der USA. „Nach der massiven Warnung wird Trump nicht mehr hinter seine Drohungen zurück können“, sagte Kornblum. „Jetzt gar nichts zu machen, käme einem Gesichtsve­rlust gleich.“

„Nach der massiven Warnung wird Trump nicht mehr hinter seine Drohungen zurück können.“John Kornblum ehemaliger US-Botschafte­r in Deutschlan­d

 ?? FOTO: KARWASHAN/AFP ?? Alltag in Syrien: Ein Soldat wartet auf einen Konvoi aus dem Rebellenge­biet OstGhuta. Neben ihm ein Plakat des Machthaber­s Baschar al-Assad.
FOTO: KARWASHAN/AFP Alltag in Syrien: Ein Soldat wartet auf einen Konvoi aus dem Rebellenge­biet OstGhuta. Neben ihm ein Plakat des Machthaber­s Baschar al-Assad.

Newspapers in German

Newspapers from Germany