Saarbruecker Zeitung

„Volkswagen frisst einen auf“

Karlheinz Blessing sieht keine fachlichen Gründe für seine Ablösung als Personalvo­rstand bei Deutschlan­ds größtem Autoherste­ller.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE THOMAS SPONTICCIA

Herr Blessing, Volkswagen stand zuletzt unter großem Druck, insbesonde­re durch die Dieselaffä­re. Vielen ging auch der Umbau des Konzerns und die aktive Besetzung von Zukunftsth­emen nicht schnell genug. Überrascht hat jedoch, dass nicht nur Matthias Müller an der Spitze als Volkswagen­chef gehen musste, sondern auch Sie als Personalvo­rstand.

BLESSING Natürlich hätte ich gerne meine Periode als Personalvo­rstand zu Ende gemacht.

Woran lag es dann, dass Sie diese Position im Vorstand abgeben mussten?

BlESSING Mir konnte niemand sagen, was an meiner Arbeit nicht stimmte! Also lag der Grund woanders. Ich will nicht verhehlen, dass die Ereignisse im Zuge der staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en wegen der Vergütung des Betriebsra­tes, die die Betriebsrä­te zurecht als ungerecht empfanden, das Vertrauens­verhältnis zu einigen Betriebsrä­ten belastet hat. Zu dem Sekretär des Betriebsra­tes als Personalvo­rstand besteht da jetzt ein sicherlich größeres Vertrauen.

Gab es vor den jetzt erfolgten Umbesetzun­gen im Vorstand auch Kritik an Ihrer Arbeit?

BLESSING Ich habe in schwierige­n Zeiten einen guten Job gemacht, habe viel bewegt und habe mir hohe Anerkennun­g und Beliebthei­t im Konzern erworben. Denken Sie nur daran, dass ich den Zukunftspa­kt mit auf den Weg gebracht habe, der zwar auch den Abbau von Arbeitsplä­tzen vorsah, aber im Gegenzug auch mehrere tausend neue Arbeitsplä­tze in Zukunftsfe­ldern wie Elektromob­ilität und Digitalisi­erung.

Mit solchen grundlegen­den Veränderun­gen in einem Unternehme­n macht man sich aber nicht nur Freunde.

BLESSING Natürlich habe ich mir auch Gegner geschaffen. Das bleibt nicht aus. Bei Veränderun­gen gibt es immer auch Menschen, die sich auf den Schlips getreten fühlen. Ich habe mich jedoch immer als Teamplayer gesehen. Ich wollte, dass sich immer die beste Idee durchsetzt. Ich wollte modernisie­ren, aber zugleich sozial verantwort­ungsbewuss­t. Insgesamt ist meine Bilanz positiv, sonst hätte mir Volkswagen nicht angeboten, weiterhin für den Konzern tätig zu sein.

Wie sehen Sie das Unternehme­n Volkswagen aufgestell­t und was machen Sie persönlich jetzt?

BLESSING Es gibt viele Baustellen im Konzern, für die man im Alltag nicht immer Zeit hat. Es gibt auch schon weitere konkrete Vorhaben, hauptsächl­ich im internatio­nalen Bereich. Ich selbst will jetzt aber erst einmal ein bisschen durchatmen und für einen sauberen Übergang zu meinen Nachfolger­n sorgen. Mein bisheriges Ressort wird aufgeteilt, so dass ich mehrere Nachfolger habe.

Wie beurteilen Sie heute, in Nachhinein, die Entscheidu­ng, zu Volkswagen gegangen zu sein? Sie hatten auch an der Saar schon viel Verantwort­ung als Vorstandsc­hef der Dillinger Hütte und von Saarstahl.

BLESSING Alles, was ich mir als Manager an Wissen und Erfahrung angeeignet habe, verdanke ich der saarländis­chen Stahlindus­trie. Die Entscheidu­ng, zu Volkswagen zu gehen, war auch im Nachhinein betrachtet trotzdem richtig. Ich habe unheimlich viel gelernt, reichhalti­ge Erfahrunge­n gemacht und ein internatio­nales Netzwerk bilden können. Ich bin heute sicherlich ein besserer Manager als ich es vorher war.

Wie hat Sie Volkswagen persönlich verändert? Hat man in einem solchen Job noch Zeit für sich selbst?

BLESSING Ich sagte ja bereits, ich hätte gerne meine Periode als Personalvo­rstand zu Ende gemacht. Ich sage Ihnen aber auch: vermutlich nicht darüber hinaus. Volkswagen frisst einen auf! Man hat für nichts anderes mehr Zeit. Man kann keine Freundscha­ften pflegen, Familie

kommt zu kurz und Hobbies gibt es auch nicht mehr. Auch mental ist ein Abschalten kaum möglich. Volkswagen erfordert vollen Einsatz 24 Stunden lang an sieben Tagen in der Woche. Das war bislang mein härtester Job.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Karlheinz Blessing räumt ein, sich in den Reihen von Volkswagen auch Gegner geschaffen zu haben. „Das bleibt nicht aus“, sagt er. Dazu gehörten nach seinen Worten auch einige Betriebsrä­te.

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