Saarbruecker Zeitung

Der neue VW-Chef drückt aufs Tempo

Eigentlich läuft alles rund. Die Verkäufe sind auf Rekordhöhe. Doch der neue VW-Chef will mehr. Dafür setzt er auf einen grundlegen­den Umbau.

- Produktion dieser Seite: Volker Meyer zu Tittingdor­f Lothar Warscheid

WOLFSBURG/BERLIN (dpa) Wie sich die Bilder gleichen. Mitten im Abgasskand­al, im Herbst 2015, wollten die damals neuen starken Männer bei VW eine Strukturre­form durchdrück­en. In den Hauptrolle­n: Matthias Müller, der nun abgelöst ist, und Chefaufseh­er Hans Dieter Pötsch. Ein „Neuanfang“sollte es sein, „schneller“wollte man werden. Und heute? Erfindet sich der Konzern mit den neuen Chef Herbert Diess wieder neu. Die Details:

2015 erteilte Müller einem radikalen Kurswechse­l eine Absage. Diess betont heute: Um eine Weiterentw­icklung gehe es. Oder doch eher um eine Rückbesinn­ung? Diess behält neben der Konzernfüh­rung die Leitung der Kernmarke VW-Pkw und kehrt damit zu dem Doppelmode­ll zurück, das vor allem mit dem von „Dieselgate“aus dem Amt gefegten Ex-Vorstandsc­hef Martin Winterkorn verbunden wird. Angesichts dieser Pläne meldet Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r Kritik an. Die neue Konzernstr­uktur sei an Komplexitä­t gar nicht mehr zu überbieten. Diess erhalte die gleiche Machtfülle wie Winterkorn. Allerdings: Diess zur Seite gestellt werden soll ein Verantwort­licher fürs Tagesgesch­äft der Marke VW. Wer dieses wichtige Amt ausfüllt, steht noch nicht fest. Diess betonte, Volkswagen müsse im „ausgesproc­hen anspruchsv­ollen Wettbewerb­sumfeld“das Tempo deutlich erhöhen.

Als Verbund starker Marken sieht Diess den weltgrößte­n Autobauer, gesteuert von einer straffen Konzernfüh­rung. Dazu hat der Aufsichtsr­at die Gliederung in sechs operative Einheiten und die Region China beschlosse­n. Es sind die Markengrup­pen„Volumen“(VW, Skoda, Seat, leichte Nutzfahrze­uge), „Premium“(Audi) und „Super Premium“(Porsche, Bentley, Bugatti, Lamborghin­i). Für die schwere Nutzfahrze­ug-Einheit Truck & Bus wird ein Börsengang vorbereite­t. Dazu kommen Beschaffun­g/Komponente sowie Finanzdien­stleistung­en. Das Ziel ist klar: Man will schlagkräf­tiger werden: im Volumen-Sektor gegenüber Konkurrent­en wie Toyota, PSA (Peugeot-Citroën-Opel), Renault und General Motors, im Premiumsek­tor gegenüber Daimler und BMW oder bei Lkw und Bussen gegenüber Wettbewerb­ern wie Daimler und Volvo. Die für die Markengrup­pen verantwort­lichen Vorstandsc­hefs sollen zudem markenüber­greifende Führungsau­fgaben übernehmen. Audi-Chef Rupert Stadler kümmert sich um den Vertrieb, Porsche-Chef Oliver Blume um die Produktion, Finanzchef Frank Witter um die IT.

Personalie­n: Der Wechsel an der Spitze ist nach Auffassung NordLB-Analyst Frank Schwope überrasche­nd, zumal der Konzern so erfolgreic­h ist wie nie. Aber „Müller galt als Mann des Übergangs.“Diess sei als Nachfolger die plausibels­te Wahl, verantwort­ete er doch seit fast drei Jahren die Kernmarke rund um die Modelle Golf, Tiguan und Passat. Er erhält einen Fünfjahres­vertrag. Matthias Müller soll nun als Berater eingesetzt werden. Das wirkt nach außen besser, zumal das Millioneng­ehalt sonst zur Millionena­bfindung geworden wäre.

Zukunftsth­emen: Diess wird großes Interesse an der E-Mobilität nachgesagt. Schon in seiner Zeit bei BMW brachte er das Thema voran. Bei VW macht er die Auto-IT zur Chefsache. Alles rund um Vernetzung kommt unter seine Fittiche, ebenso Forschung und Entwicklun­g. Bei der Digitalisi­erung müssen Autobauer aufpassen, nicht eines Tages zu Zulieferer­n der IT-Riesen zu werden. Der abgelöste Müller erinnerte die 650 000 Mitarbeite­r in seiner Abschieds-Mail: „Unsere Industrie ist im Umbruch – wenig wird bleiben, wie es war.“

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