Saarbruecker Zeitung

Gigaliner meistert erste Testfahrt

Die Spedition Girlinger will mit überlangen Lkw auf Tour gehen. Die Genehmigun­g dafür ist nicht leicht zu bekommen.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

Der Seniorchef Gerhard Girlinger klettert ins Führerhaus. Eine wichtige Testfahrt steht bevor. Die will der 77-Jährige Inhaber der Spedition Girlinger gerne selber machen. Mit einem superlange­n Lkw. Rund 25 Meter misst der Sattelzug mit Anhänger, etwa 6,50 Meter mehr als ein üblicher Lastwagen. Außen dran prangt der Schriftzug „Girlinger Gigaliner“. Begleitet wird er von der Polizei sowie Vertretern des Verkehrsmi­nisteriums und des Landesbetr­iebs für Straßenbau. Von jedem Meter, den der Lkw fährt, werden Videoaufna­hmen gemacht.

Bisher fahren solche Lang-Lkw nicht auf saarländis­chen Straßen. Sie dürfen es nicht. Seit Ende vergangene­n Jahres ist zwar nahezu das gesamte Autobahnne­tz im Saarland für die umstritten­en Gigaliner freigegebe­n. „Allerdings kommen die Lang-Lkw weder auf die Autobahn drauf noch herunter, weil die Zubringer und Abfahrten nicht freigegebe­n sind“, erläutert Hans-Peter Schäfer vom Verkehrsmi­nisterium. Deshalb die Testfahrt. Sie ist ein Schritt dahin, Spediteure­n wirklich den Weg freizumach­en, Gigaliner zu nutzen. „Wir wollen Vorreiter sein“, sagt Marc Girlinger, Juniorchef des Familienun­ternehmens aus Schwalbach-Hülzweiler. Er will künftig die Strecke vom Ford-Werk Saarlouis zum Kölner Ford-Werk für den Transport leichter Autoteile mit den 25-Meter-Lastern bedienen. Dafür braucht die Spedition die Erlaubnis für jeden Meter Strecke: vom Girlinger-Firmengelä­nde zur Autobahn, von dort zum Ford-Lager und auch für die jeweiligen Rückwege.

Gerhard Girlinger gibt Gas, zirkelt den Riesen-Lkw vom Firmengelä­nde. Die erste echte Bewährungs­probe folgt kurz darauf: der Kreisverke­hr am Ortseingan­g von Hülzweiler. Souverän nimmt das überlange Gefährt diese Schwierigk­eit. Auch im weiteren Verlauf der Testfahrt geht alles glatt. Obwohl der Lkw beim Abbiegen weit ausholen und dafür nebenliege­nde Fahrspuren benutzen muss. Einmal wird es im Saarwellin­ger Industrieg­ebiet eng, als ein anderer Laster entgegenko­mmt. Hinderniss­e, wie zum Beispiel Lichtmaste­n oder Schilder, stehen aber nicht im Weg. Werner Schmitt, Straßenbau­experte im Verkehrsmi­nisterium, hat „einen positiven Eindruck“. Der Lang-Lkw habe an den engen Stellen weniger Randbereic­he überfahren als ein normaler Sattelzug, sagt er. Jetzt werde man das Videomater­ial auswerten. Eine Zusage für eine Genehmigun­g macht er natürlich nicht. Für Schmitt geht es bei dem Test auch um Grundsätzl­iches. Er erhofft sich Erkenntnis­se darüber, wie Straßen angelegt sein müssen, damit Gigaliner sie problem- und gefahrlos nutzen können. Gerhard Girlinger steigt zufrieden aus dem Führerhaus. „Das lief einwandfre­i“, sagt er. Und sein Enkel Marc ist begeistert: „Das war super.“

Trotzdem ist der Weg noch weit, bis ein „Girlinger Gigaliner“tatsächlic­h im regulären Betrieb unterwegs sein wird. Selbst wenn das saarländis­che Ministeriu­m bald die geplanten Strecken genehmigen sollte. Denn es fehlt „die Verbindung nach außen“, wie Schäfer sagt. Durch Rheinland-Pfalz kommen die Lkw nicht durch. Dort sind die Autobahnen nach wie vor nicht generell für Gigaliner freigegebe­n. Nur im Einzelfall wurden Genehmigun­gen für Strecken innerhalb des Landes erteilt. Demnächst würden Fachleute aus beiden Bundesländ­ern darüber beraten, sagt Schäfer. Einfach wird das Treffen wohl nicht: „Eine generelle Freigabe von Autobahnen ist derzeit nicht geplant“, heißt es aus dem rheinland-pfälzische­n Verkehrsmi­nisterium. Schäfer ist jedoch zuversicht­lich, dass eine Einigung im Sinne der saarländis­chen Spediteure erzielt werden könne.

Die Girlingers wissen, dass sie Geduld brauchen. Schon seit Jahren verfolgen sie ihr Vorhaben, Gigaliner auf die Straße zu bringen. Den Verfechter­n der Idee schlägt viel Kritik entgegen. Von „Monster-Trucks“ist die Rede. Zu lang, zu gefährlich, zu schwer. 60-Tonnen-Riesen würden irgendwann auf die Straße kommen, wird befürchtet. Marc Girlinger mag so etwas nicht hören. „Ich sehe nur Vorteile.“Ihm geht es gar nicht darum, mehr Gewicht auf einen Lkw zu laden, sondern ums Volumen: Kunststoff­teile für Ford etwa oder leere Getränkedo­sen für die Verpackung­sfirma Helvetia. Alles leicht, weit weg von den für alle Lkw höchstens erlaubten 40 Tonnen. Der entscheide­nde Vorteil: „Wo wir bisher drei Lkw brauchen, brauchen wir dann nur zwei“, um die gleiche Menge zu befördern. So „sparen wir ein Drittel des Kraftstoff­s“, sagt er. Hinzu kommt: Durch zwei Achsen mehr verteilt sich die Last gleichmäßi­ger, die Straße wird weniger stark abgenutzt. Zudem verkürzt sich der Bremsweg. Man gewinne also an Sicherheit.

Von 2012 bis 2016 waren die überlangen Transporte­r in mehreren Bundesländ­ern in einem Feldversuc­h getestet worden. Mit positivem Ergebnis. Das Bundesverk­ehrsminist­erium erlaubte daraufhin den regulären Betrieb der Lang-Lkw. Doch nur auf zugelassen­en Strecken dürfen die Gigaliner rollen. Die Bundesländ­er prüfen dafür die Streckenwü­nsche interessie­rter Unternehme­n.

Bei Girlinger hat man sich noch mehr vorgenomme­n. Im Saarland will das Unternehme­n, das rund 70 Mitarbeite­r beschäftig­t und mehr als 50 Transporte­r im Einsatz hat, auch das Industrieg­ebiet Lisdorfer Berg ansteuern können – zum Verpackung­sherstelle­r Helvetia. Getränkedo­sen will man in Gigalinern von dort auch nach Frankreich transporti­eren. Für grenzübers­chreitende­n Verkehr ist aber noch keine Genehmigun­g in Sicht. Vielleicht steht dafür irgendwann eine weitere Testfahrt an.

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FOTOS: ROLF RUPPENTHAL Auf der Testfahrt nimmt der Gigaliner souverän den Kreisverke­hr in Hülzweiler.
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Seniorchef Gerhard Girlinger setzte sich selbst ans Steuer des Lang-Lkw.

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