Saarbruecker Zeitung

Verbeugung vor einem Unbeugsame­n

Posthum wurde Arnfrid Astel auf dem Halberg gefeiert.

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SAARBRÜCKE­N (cis) Auf einer auf der Bühne des Großen SR-Sendesaals platzierte­n Staffelei stand ein Foto Arnfrid Astels, auf dem er eine Schale in der Hand hält: ein Bild, das seine innere Ausgeglich­enheit zu verkörpern schien. Den Ehrentitel „Professor“konnte die Landesregi­erung dem unerwartet vor einem Monat in Trier im Alter von 84 Jahren gestorbene­n Astel gestern auf dem Halberg nur noch posthum verleihen – im Rahmen einer ( Trauer-)Feierstund­e, in der von den Rednern derart viel Pathos und Weihrauch verströmt wurde, dass es womöglich selbst dem Dichter und Literaturr­edakteur Astel (er leitete von 1967 bis 1998 die SR-Literature­daktion) ein wenig zu viel des Guten gewesen wäre.

SR-Intendant Thomas Kleist erinnerte daran, dass der unbeugsame Astel vorgelebt hat, was Meinungsfr­eiheit meint: konstrukti­ves Misstrauen. Dazu gehörte, sich anzulegen mit „den Mächtigen“(Kleist), wenn es angezeigt war. Pars pro toto zitierte der Intendant ein Astel-Bonmot, das dessen mehr als drei Jahrzehnte gepflegte eigensinni­ge Unbequemhe­it gegenüber seinem Sender gut einfängt. Unter dem (bitter-ironischen) Titel „Service“hielt der große Dialektike­r Astel fest:„Den Hörer dort abholen, wohin wir ihn selbst verschlepp­t haben.“Wie Kleist, der mit dem Satz „Der SR ist stolz auf Dich, Arnfrid“endete, zeichnete auch Kulturmini­ster Ulrich Commerçon nochmals Astels, ihn Anfang der 70er bundesweit bekannt machende Fehde mit dem damaligen SR-Intendante­n Franz Mai nach: Zwei fristlose Kündigunge­n (eine wegen Astels „Störung einer CDU-Parteivera­nstaltung durch Zwischenru­fe“, eine weitere wegen Veröffentl­ichung eines vermeintli­ch linksradik­alen politische­n Epigramms) blieben wirkungslo­s: Astel obsiegte auf ganzer Linie und genoss fortan (im besten Sinne) Narrenfrei­heit auf dem Halberg.

Zuletzt hielt die Schriftste­llerin Sibylle Knauss eine überschwän­gliche Eloge auf den Dichter Astel, vor dessen Sprachkuns­t im Zeichen äußerster Verdichtun­g sie sich verneigte. Dass Astel, „eine Erscheinun­g von großer Unaufdring­lichkeit“, ein „poeta doctus“, Altertumsg­elehrter und Naturforsc­her gewesen ist – dafür fand Knauss Mal um Mal treffende Worte. „Daran erkennt man den Dichter: Er stiftet, was bleibt“, meinte sie. Auf Astels Internetse­ite www. zikaden.de, die 6000 seiner Gedichte, Epigramme und Haikus umfasst, bleibt seine Stimme für uns zurück. Sie ist, so Sibylle Knauss „nur ein paar Klicks entfernt“.

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FOTO: CIS Auf der Sendesaal-Bühne platzierte Staffelei mit Astel-Fotografie.

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