Tschechien zeigt sich von der Technik-Seite
Zum 100. Geburtstag will das Land mit dem Slogan „Made in Czechoslovakia“Touristen anlocken. An Exponaten wird es nicht fehlen.
LIBEREC/PRAG Selbst im Frühjahr kann er noch von kräftigen Schneewinden umweht werden, der Berg Ješted, der an der Grenze zwischen Böhmerwald und Riesengebirge die waldreiche Region überragt. Unten im Tal, wo die nordtschechische Stadt Liberec liegt, zeigen sich hingegen schon die ersten Schneeglöckchen. Dennoch lohnt es sich stets, den etwas mehr als 1000 Meter hohen Ješted zu besteigen, was für erfahrene Mittelgebirgs-Wanderer mit festem Schuhwerk kein Problem ist.
Dort oben kann der Besucher ein Beispiel tschechischer Bau- und Ingenieurkunst bewundern, auf das die kleine Nachbarrepublik stolz ist. Rund um den Sendemast, der den Berggipfel 94 Meter überragt, ist ein Restaurant mitsamt Hotel gebaut worden, das den Mast kegelförmig umschließt. Im Restaurant und den diversen Bars kann der Gast ein 360-Grad-Panorama über die bewaldeten und wellenförmigen Kämme der Berge genießen, die diese Landschaft im Dreiländereck Tschechien, Polen und Deutschland prägen. Während das Restaurant und die Bars Platz für 200 Personen bieten, lässt das Hotel in der Kegelspitze allerdings nur Raum für zwölf Zimmer.
Acht Jahre gingen ins Land, bis der Hotel- und Restaurant-Kegel, der wie ein großer Spielkreisel aussieht, auf dem Ješted 1973 fertig war. Als Baumeister ging Karel Hubácek in die Annalen des Landes ein. Die Innenräume entwarf sein Architekten-Kollege Otakar Binar. Beide stehen für die herausragende technische Leistungsfähigkeit der Tschechen, von der das Land seinen Gästen in diesem Jahr möglichst viel erzählen will.
Das Motto „Made in Czechoslovakia“zieht sich wie ein roter Faden durch das Touristikjahr. Nicht umsonst wurde dieser Zeitraum gewählt. Denn vor 100 Jahren entstand die Tschechoslowakische Republik aus dem Königreich Böhmen und der Markgrafschaft Mähren. Diese gehörten zuvor zur Österreichisch-Ungarischen Donaumonarchie, die am Ende des Ersten Weltkriegs zerfiel. Vor 25 Jahren wurden daraus die zwei Staaten Tschechien und die Slowakei.
„Der Erfindergeist und die technische Kompetenz dieser beiden Länder hatten einst Weltgeltung“, erzählt Hynek Striteský, Direktor des Technischen Nationalmuseums in Prag. Er verantwortet die Vorbereitungen für die Ausstellung „Made in Czechoslovakia“, die vom 28. September bis zum 30. Juni 2019 geplant ist und deren Herzstück dann in seinem Museum besichtigt werden kann. 100 Exponate soll sie umfassen. Zu sehen sind dann unter anderem Flugzeuge von Aero Vodochody, von denen die ersten schon 1919 als Doppeldecker in den Himmel starteten.
Auch der Fernglas-Produzent Meopta will die Entwicklung seiner Präzisions-Optiken in der Ausstellung darstellen. Mit historischen Großfahrzeugen möchte der Lastwagen-Hersteller Tatra glänzen und der Traktoren-Bauer Zetor zeigt die Anfänge moderner Ackerland-Bearbeitung.
Doch vieles kann der technisch interessierte Tschechien-Tourist heute schon sehen, wobei wir wieder in Liberec am Fuße des Berges Ješted wären. Zur Einordnung: Die 100 000-Einwohner-Stadt, die zu Donaumonarchie-Zeiten Reichenberg hieß, hat sich den Flair jener Epoche bewahrt. Wer auf den 65 Meter hohen Hauptturm des neugotischen Rathauses steigt, wähnt sich in der Zeit Kaiser Franz-Josef II., wenn er auf den Marktplatz hinabblickt, der von imposanten Bürgerhäusern umrahmt ist.
Besonders stolz sind die Bewohner auf ihren berühmtesten Sohn, den Autokonstrukteur Ferdinand Porsche. In seinem Geburtshaus finden sich Original-Skizzen und technische Nachbauten – unter anderem des Lohner-Porsche, der als das erste Elektro-Auto in die Technik-Geschichte eingegangen ist.
Betreut wird die Ausstellung im Porsche-Haus vom Škoda-Museum, das seinen Hauptsitz in Mladá Boleslav hat. Die von der Autoproduktion geprägte Stadt liegt auf halber Strecke zwischen Liberec und Prag. Stolz zeigt Museumsführer Josef Vodicka das erste Auto, das die Gründungsväter von Škoda, Václav Klement und Václav Laurin, im Jahr 1905 auf vier Räder stellten und das sie „Voiturette“tauften. Zwei Jahre später bot das Unternehmen bereits neun verschiedene Modelle an. Die Škoda-Gründer legten damit das Fundament für einen Industriezweig, der heute zu den wichtigsten Tschechiens gehört. Im Škoda-Museum ist dies eindrucksvoll dokumentiert.
Wesentlich traditioneller geht es in Lindava eine halbe Autostunde westlich vom Liberec zu. Dort sind die Glasbläser der Glashütte Ajeto zu Hause. In sechs Öfen wird die Mischung aus tschechischem Glassand, Natron, Pottasche und Kalkstein auf mehr als 1200 Grad erhitzt. Aus dem glühend heißen RiesenTropfen, der nach dem Eintauchen am Blasrohr hängt, formen die Bläser Vasen, Schalen, Karaffen und Skulpturen, die phantasie- und farbenfrohe Formen annehmen.