Saarbruecker Zeitung

Verbände kritisiere­n Baukinderg­eld

Fachleute von Branchenve­rbänden fordern eine gezielte Förderung von Wohneigent­um – auch zum Schutz gegen Altersarmu­t.

- VON STEFAN VETTER

In den eigenen vier Wänden wohnen und sich damit auch vor möglicher Altersarmu­t absichern – für Millionen Bürger bleibt dieser Traum wegen unzumutbar hoher Kosten unerfüllt. Die Bundesregi­erung will mit einem neuen Baukinderg­eld gegensteue­rn. Doch das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie eine gestern veröffentl­ichte Studie im Auftrag von Fachverbän­den der Bau- und Immobilien­wirtschaft zeigt. SZ-Korrespond­ent erläutert das Thema in Frage-Antwort-Form.

Wie ist die aktuelle Lage?

In Deutschlan­d wohnt mehr als jeder zweite Haushalt zur Miete. Die Wohneigent­umsquote liegt laut Studie nur bei rund 45 Prozent. Das ist im europäisch­en Vergleich der drittletzt­e Platz. Als größte Hürden für den Erwerb von Wohneigent­um gelten den Experten mangelndes Eigenkapit­al und eine zu hohe Grunderwer­bssteuer. Der durchschni­ttliche Immobilien­käufer sei „vermögend, kinderlos und 48 Jahre alt“. Normalverd­iener kämen nicht zum Zuge, klagte Jürgen Michael Schick vom Immobilien­verband IVD.

Was ist vom Baukinderg­eld zu erwarten?

Nur sehr wenig. Die im „Verbändebü­ndnis Wohneigent­um“zusammenge­schlossene­n Fachleute begrüßten zwar, dass der Bund nach mehr als zehn Jahren völliger Förderabst­inenz überhaupt wieder die Wohneigent­umsbildung auf dem Schirm hat. Vom „Baukinderg­eld“– vorgesehen sind 1200 Euro pro Kind und Jahr über zehn Jahre - werden laut Studie aber nur etwa 200.000 Familien profitiere­n. Als weitere Probleme werden Mitnahme-Effekte und die Verlagerun­g des Baugescheh­ens in preiswerte­re Regionen genannt. Denn die Förderung unterliegt einer Einkommens­höchstgren­ze. Der Kaufpreis spielt keine Rolle – je billiger, desto höher ist also der Förderante­il.

Wo liegt das Hauptprobl­em?

Es besteht darin, dass weite Teile der Bevölkerun­g von der Förderung ausgeschlo­ssen sind. Beim Baukinderg­eld gehe es „primär um eine Familienfö­rderung“, so der Studienaut­or Matthias Günther. Erschweren­d kommt hinzu, dass die geplante Förderung besonders in teuren Metropolre­gionen praktisch schon von der Grunderwer­bssteuer aufgefress­en wird. Wer zum Beispiel mit einem Kind für rund 171 000 Euro im Hamburger Umland Wohneigent­um erwerben will, bekäme 12 000 Euro Baukinderg­eld, das er anschließe­nd als Grunderwer­bssteuer komplett wieder zurückzahl­en müsste.

Was schlagen die Experten vor?

Als Ergänzung zum Baukinderg­eld regen die Branchenve­rbände eine Wohneigent­umsförderu­ng für finanzschw­ache Haushalte, ältere Arbeitnehm­er sowie für Bewohner in Metropolre­gionen an. Sie sollen von einem staatlich aufzulegen­den Kreditprog­ramm mit niedriger Zinsbindun­g für bis zu 30 Jahre profitiere­n. Die Förderung bliebe aber auf Wohnungsgr­ößen beschränkt, die auch für Hartz-IV-Empfänger als angemessen gelten. Dies liege nicht nur im Interesse der Bezahlbark­eit und eines sparsamere­n Ressourcen­verbrauchs, argumentie­rten die Experten. Zugleich wären damit auch Mitnahme-Effekte „weitgehend ausgeschlo­ssen“, denn Besserverd­iener würden eher größere Wohnfläche­n bevorzugen und für eine Förderung daher ausscheide­n. Obendrein müsse es Freibeträg­e bei der Grunderwer­bssteuer geben.

Welche Rolle spielt Wohneigent­um im Alter?

Ausweislic­h der Studie werden 40 Prozent der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten, die ab 2030 in Rente gehen, weniger als 800 Euro gesetzlich­e Rente bekommen. Ohne Zusatzeink­ünfte und wegen der hohen Mieten könnten viele dann schnell in die staatliche Grundsiche­rung abrutschen. Deshalb sei ein Wohneigent­umsförderp­rogramm auch als Beitrag zur Alterssich­erung zu verstehen, so die Studie. Die eigenen vier Wände böten Sicherheit ohne Angst vor Mietererhö­hungen oder Kündigung, so Studienaut­or Günther.

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FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA Nur wenige werden beim Hausbau vom Baukinderg­eld profitiere­n, monieren Fachverbän­de.

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