Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d und seine (Problem-)Wölfe

Die Population steigt, die Schäfer klagen. Und die Politik ringt um Lösungen.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN/SAARBRÜCKE­N Der Wolf ist zurück in Deutschlan­d und vermehrt sich. Das bringt Probleme, mit denen sich die Politik aktuell befassen will. Aber was tun? Oft bringen Expertenan­hörungen die Bundestags­abgeordnet­en in strittigen Fragen weiter. Beim Thema Wolf jedoch eher nicht, wie sich gestern in einer Anhörung zeigte. Nach wie vor sind die Parteien uneins. Die AfD warnt vor einem „dogmatisch­en“Schutz der Raubtiere und fordert Obergrenze­n. Wenn es zu viele Wölfe werden, soll die Population durch Bejagung reguliert werden. Die FDP ist auch für Bejagen. In der europäisch­en Naturschut­zrichtlini­e sollen Wölfe dazu herabgestu­ft werden. Keine Jagd, verlangen die Grünen, und mehr verbundene Biotope, um eine stabile Population zu erreichen. Die Linken fordern stärkere Hilfen für Weidetierh­alter.

Die Bundesregi­erung hat sich bisher nicht geäußert, will einen Gesetzentw­urf bis Anfang Juni vorlegen. Im Koalitions­vertrag steht, dass bei der EU eine Überprüfun­g des strengen Schutzstat­us eingeleite­t werden soll. Zudem sollen Wölfe, die Schafe oder Menschen gefährden, leichter abgeschoss­en werden können. Um folgende Punkte ging es gestern:

Die Population: Derzeit gibt es in Deutschlan­d zwischen 800 und 1100 Wölfe, die sich auf 60 Rudel sowie Einzeltier­e verteilen. Vor allem leben sie in Nord- und Ostdeutsch­land. Im Saarland wurden noch keine gesichtet, wohl aber im grenznahem Rheinland-Pfalz und in Luxemburg. Der Jagdverban­d warnte gestern, die Zahl der Tiere in Deutschlan­d verdoppele sich alle drei Jahre. Weil Wölfe Reviertier­e sind, bedeute das, dass immer neue Reviere erschlosse­n werden. Vermischun­gen von „canis lupus lupus“, so der lateinisch­e Name des europäisch­en Grauwolfs, mit südeuropäi­schen Rassen oder wilden Hunden werden dann häufiger vorkommen, erläuterte­n Genetiker. Mischlinge dürfen schon jetzt abgeschoss­en werden.

Die Gefahren für den Menschen: Der Jagdverban­d glaubt nicht, dass der Wolf von Natur aus menschensc­heu ist oder Nutztiere meidet. Dazu müsse er regelmäßig bejagt werden. Er fordert daher die Aufnahme in das Jagdgesetz. Zwischenfä­lle mit Menschen hat es in Deutschlan­d noch nicht gegeben, wohl aber Tiere, die sich in Siedlungen wagen. Eine Wolfsforsc­herin erklärte hingegen, dass unscheues Verhalten meist darauf zurückgehe, dass Menschen die Tiere zuvor angefütter­t hätten. Zwischenfä­lle mit Menschen habe es zudem auch in Ländern gegeben, wo der Wolf auch bejagt werden dürfe. Das helfe also nicht.

Die Sorgen der Schäfer: Sie sind am meisten betroffen, aber auch andere Weidetierh­alter. Der Bauernverb­and ist deshalb ebenfalls für die Bejagung. Das Naturschut­zkriterium eines „günstigen Erhaltungs­zustandes“der Population sei mit 1000 Tieren erreicht. Ein Jurist hielt entgegen, dass es dazu 1000 erwachsene Tiere sein müssten, davon gebe es aber nur 150. Die Naturschüt­zer unter den Experten erklärten dagegen, der einzige wirksame Schutz von Herden liege in Elektrozäu­nen ab 1,20 Metern Höhe und Schutzhund­en. In Spanien, Polen oder Italien hätten die Bauern auch mit dem Wolf zu leben gelernt. Der Dachverban­d der Berufsschä­fer räumte ein, dass die wirtschaft­lichen Probleme der Schäferei in Deutschlan­d nicht mit dem Auftauchen des Wolfes begonnen hätten. „Wir sind schon lange dabei unterzugeh­en“, erklärte ein Vertreter und forderte eine Weidetierp­rämie. Die Mehrkosten für Zäune, Hunde und Personal könnten die Schäfer keinesfall­s tragen.

 ?? FOTO: GABBERT/DPA ?? Vor 18 Jahren kamen die ersten Wölfe zurück nach Deutschlan­d. Ihre Population wächst – was Naturschüt­zer freut und Schäfer besorgt.
FOTO: GABBERT/DPA Vor 18 Jahren kamen die ersten Wölfe zurück nach Deutschlan­d. Ihre Population wächst – was Naturschüt­zer freut und Schäfer besorgt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany