Saarbruecker Zeitung

WWF: 18 Millionen Tonnen Lebensmitt­el landen im Müll

- VON OLIVER BECKHOFF Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Iris Neu-Michalik

(dpa/SZ) Die Bundesland­wirtschaft­sministeri­n ist in ihrem Element. Bei der Verleihung von Preisen für das Engagement gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung, erzählt sie vom Leben auf dem Land: Als Julia Klöckner (CDU) zur Schule ging, durften die Äpfel noch Dellen haben. „Mein Ziel ist klar“, sagt Klöckner – und nennt ein Ziel, das Parlamenta­rier auf EU-Ebene schon lange fordern – die Lebensmitt­elverschwe­ndung bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Es klingt wie eine Replik auf einen Bericht, in dem die Umweltorga­nisation WWF der Bundespoli­tik zwei Tage später das Fehlen einer Strategie vorwerfen wird.

Auf 18 Millionen Tonnen beziffert die Umweltorga­nisation am Freitag das Ausmaß der jährlichen Lebensmitt­elverschwe­ndung in Deutschlan­d. Berechnet hat den Wert das Institut für nachhaltig­e Ernährung der Fachhochsc­hule Münster. Das entspricht dem Gewicht von rund 129 000 Blauwalen. 60 Prozent der Abfälle fallen demnach in der Wertschöpf­ungskette an, etwa 40 Prozent werfen die Verbrauche­r weg.

Anhand ihres Engagement­s gegen Müllversch­wendung wurden die Bundesländ­er in drei Gruppen eingeteilt: Pioniere, Mittelfeld – und Nachzügler. Für die Einstufung sei überprüft worden, wer sich schon lange und systematis­ch mit dem Thema befasse.

In der Spitzengru­ppe stehen Länder wie Bayern, das die Lebensmitt­elverluste seit 2012 erhebt und sichtbar macht. Dazu Baden-Württember­g, das die Vermeidung von Lebensmitt­elabfällen im Abfallwirt­schaftspla­n verankert habe. Außerdem Nordrhein-Westfalen, das als erstes Bundesland einen Runden Tisch zum Thema eingericht­et hat. Auch Klöckners Heimatland, Rheinland-Pfalz, wird lobend erwähnt. Als Nachzügler gelten dagegen Bremen, Hamburg, Mecklenbur­g-Vorpommern, Niedersach­sen, Thüringen – und Sachsen-Anhalt. Hier sind Maßnahmen nach WWF-Angaben entweder kaum vorhanden oder deren Wirksamkei­t nicht nachvollzi­ehbar. Fünf weitere Bundesländ­er werden dem Mittelfeld zugeordnet – darunter das Saarland. In seinem Bericht hob der WWF positiv hervor, dass man sich dort über die Großregion auch mit Institutio­nen aus Frankreich und Luxemburg zu dem Thema austauscht.

Dass die Befunde so unterschie­dlich ausfallen, lasten Forscher und Umweltakti­visten vor allem der Bundespoli­tik an: Sie verpasse es, die Maßnahmen der Länder bundesweit zu koordinier­en und eine gemeinsame Strategie auf den Weg zu bringen. Bis 2020, so die Forderung, möge die Bundesregi­erung nachbesser­n. Im Koalitions­vertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist das Thema schon berücksich­tigt, drei Mal kommt das Wort „Lebensmitt­elverschwe­ndung“vor. „Eindämmung Lebensmitt­elverschwe­ndung“, heißt es beispielsw­eise lapidar. Die Koalition wolle „die ganze Wertschöpf­ungskette“in den Blick nehmen. Der WWF wertet es als positives Signal.

Die konkreten Daten zum Ausmaß der Verschwend­ung in den einzelnen Bundesländ­ern haben Schwächen. So wird etwa in jedem Bundesland die gleiche Menge an verschwend­eten Lebensmitt­eln pro Kopf unterstell­t. In vielen Bereichen basieren Annahmen auf der bereits 2015 veröffentl­ichten WWF-Studie „Das große Wegschmeiß­en“.

Zwölf Milliarden Menschen könnten mit den weltweit produziert­en Lebensmitt­eln ernährt werden, erklärt die Chefin der Welthunger­hilfe, Bärbel Dieckmann, den größeren Zusammenha­ng. „Wir wissen, dass ein Drittel dieser weltweit produziert­en Lebensmitt­el vernichtet wird und verschwend­et wird.“

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FOTO: PLEUL/DPA Diese Lebensmitt­el landeten im Abfall statt auf dem Teller.

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