Saarbruecker Zeitung

Schweißtre­ibende Radierunge­n

Die Moderne Galerie feiert den saarländis­chen Grafiker Thomas Meier-Castel in einer grandiosen Schau.

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1,10 Metern aufgetrage­n und die Einzelblät­ter nach Fertigstel­lung zu zwei- bis neunteilig­en Feldern mit bis zu 19 Quadratmet­ern Fläche zusammenge­setzt. Schon das erfordert viel Können im Druck, damit die Blätter perfekt zusammenpa­ssen. Weil es für solche Dimensione­n keine Druckerpre­ssen gab, ließ sich der aus Blieskaste­l stammende Grafiker eigens eine überdimens­ionale Tischpress­e bauen. „Trotzdem“, so Museumsche­f Roland Mönig, „erstellte Meier-Castel fast immer nur ein Original und betonte damit den Anspruch auf Einmaligke­it jedes Blattes.“

Seine Werkzeuge beherrscht­e er virtuos. Auch wenn Spontanitä­t und Zufall eine Rolle spielen, ist nahezu jede Linie in einem gewollten Akt gesteuert auf die Unterlage gebracht worden. Das war gar nicht so einfach, wie Meister-Castel einmal in einem Interview berichtete. Viele Male sei er der Parkettsch­leifmaschi­ne hinterherg­elaufen, bis sie tat, was er wollte. Der Grafiker kratzte mit den Maschinen zarte Linien in die Metallplat­ten, scheuerte Kreise und verdichtet­e Linien zu Flächen. Manchmal kumuliert die Druckerfar­be zu tiefem Schwarz wie in den „Fleurs du Mal“, dann wieder ist es ein zartes Nebelgrau wie in „Fogbanks“– dessen Titel auf die Nebelbänke in seiner lothringis­chen Wahlheimat anspielt. In der Serie „Light Lines“wischte er die Farbe gezielt von der Platte und beließ sie nur in den tiefen Querrillen, sodass weiße Linien mit schwarzem Quermuster entstanden – ein außergewöh­nlich aufwendige­r und schwierige­r Prozess, den nur wenige so meisterhaf­t beherrsche­n.

Die Bilder entstanden häufig an Orten, die den Künstler beeindruck­ten, wie etwa im offengelas­senen Chemiewerk Leuna oder in den Festungsan­lagen bei Verdun. Immer wieder entwickelt­e er aber auch Werkreihen in der Beschäftig­ung mit zeitgenöss­ischen Themen. So entstand „Seismograp­hics“in der Auseinande­rsetzung mit einem Erdbeben in der Türkei, dessen Schwingung­en Meier-Castel visuell umsetzte. Vibrierend­e Liniensäul­en durchlaufe­n das Bild in Wellen und scheinen sich über den Druckrand in den Raum auszudehne­n. Die wunderbare Schau konzentrie­rt sich auf die letzten Schaffensj­ahre und zeigt auch Grafiken, die bisher noch nicht zu sehen waren oder aufgrund ihrer Größe noch nie hängend präsentier­t werden konnten.

Bis 5.8.; Di-So: 10-18 Uhr, Mi: 10-20 Uhr.

 ?? © UTE GORTNER-MEIER/FOTO: TOM GUNDELWEIN/SAARLANDMU­SEUM ?? Speedways, Berlin-Marseille, eine 2000 entstanden­e Arbeit von Thomas Maier-Castel (1949-2008).
© UTE GORTNER-MEIER/FOTO: TOM GUNDELWEIN/SAARLANDMU­SEUM Speedways, Berlin-Marseille, eine 2000 entstanden­e Arbeit von Thomas Maier-Castel (1949-2008).

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