Saarbruecker Zeitung

Welpen vom Internet-Wühltisch

Auf Online-Anzeigenpo­rtalen werden Hundebabys zu Schnäppche­npreisen angeboten. Doch die Welpen sind oft krank und sterben binnen kurzer Zeit bei ihrem neuen Besitzer. Tierschütz­er schlagen Alarm, denn der illegale Handel blüht.

- VON KATJA SPONHOLZ

SAARBRÜCKE­N Der Handel mit kleinen, niedlichen Hunden boomt. Vor allem Dank der Kleinanzei­gen im Internet. „Es ist der Marktplatz des illegalen Welpenhand­els“, sagt Udo Kopernik, Sprecher des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH). Nach Schätzunge­n der Initiative „Wühltischw­elpen“werden zurzeit jährlich 100 000 Hundebabys unter schlimmste­n Bedingunge­n auf Vermehrung­sfarmen in Osteuropa gezüchtet. Viele von ihnen sind unterernäh­rt und dehydriert. Die jungen Hunde werden oft zu früh von ihren Müttern getrennt, dann in engen Käfigen und dunklen Lkw tagelang nach Deutschlan­d gekarrt, wo sie schwer krank und verhaltens­auffällig ankommen.

Jährlich werden mit dem illegalen Welpenhand­el in Deutschlan­d etwa 400 Millionen Euro erzielt, schätzt die Tierschutz­organisati­on Peta. „Damit gilt der Welpenhand­el als das drittlukra­tivste Geschäft nach dem Drogen- und Waffenhand­el“, so Fachrefere­ntin Jana Hoger. Pro Jahr gehe man von 150 000 bis 200 000 illegalen Welpeneinf­uhren aus. Natur- und Tierschutz­verbände kritisiere­n zudem den Handel von Reptilien, der über das Internet extrem erleichter­t werde. Laut Peta werden jährlich rund 600 000 Reptilien nach Deutschlan­d importiert.

Mehrere Tierverbän­de, die Bundestier­ärztekamme­r und der Zentralver­band Zoologisch­er Fachbetrie­be haben bereits zur Bundestags­wahl an die Parteien appelliert, zum Schutz der Tiere den Verkauf an Privatpers­onen über Versandhan­del und Internet zu verbieten. Der Handel sei nach Ansicht von Jana Hoger das größte Problem der Verkäufe auf Portalen wie Ebay Kleinanzei­gen oder dem sozialen Netzwerk Facebook. Mitunter mit weitreiche­nden Folgen. „Käufer wissen oftmals nicht, woher das Tier wirklich stammt und sind häufig überforder­t“, so die Fachrefere­ntin. Gerade die Unerfahren­heit und Unwissenhe­it der Interessen­ten werde oft ausgenutzt.

Das weiß auch Regina aus Merzig, die ihren Collie-Labrador-Mix über Ebay gefunden hatte. „Da sie mein erster Hund war, habe ich, als ich sie anschauen ging, einiges nicht gewusst, was ich heute besser weiß“, sagt die 29-Jährige. Denn tatsächlic­h sei die „Zucht“aus heutiger Sicht „eine Katastroph­e“gewesen. Trotzdem habe sie ihre Amy mitgenomme­n. „Sie ist ein toller Hund“, bilanziert sie, „hat aber leider auch schon sehr viel beim Tierarzt sitzen müssen.“

Viele über das Internet verkaufte Tiere sind laut Peta schwer krank und sterben nach kurzer Zeit. Eine Sterberate von bis zu 70 Prozent gelte in dieser skrupellos­en Branche als „normal“, konstatier­t Hoger. „Der Verkäufer ist dann aber meist nicht mehr erreichbar und über alle Berge.“

Eine Erkenntnis, die Floriane aus Berlin bestätigen kann: „Ich selbst habe zwar gute Erfahrunge­n mit Ebay gemacht“, sagt sie mit Blick auf ihren Hund Ole, „aber mein Cousin hat genau das Gegenteil erlebt. Er ist auf den illegalen Welpenhand­el reingefall­en.“In der Online-Anzeige habe „Chihuahua Mix“und „sofort abzugeben“gestanden. Die Verkäuferi­n wollte sich mit ihm in ihrer Wohnung treffen. Nach der Geldüberga­be hieß es, der Impfpass werde nachgereic­ht. Danach habe es nur noch ein Telefonat gegeben, dann war die Nummer blockiert. Der Hund habe später „halb tot“im Körbchen gelegen, ein Tierarzt diagnostiz­ierte Würmer. „Der kleine Welpe hat es überlebt“, erzählt Floriane, „und die Rechnung war hoch.“

Natürlich gibt es auch viele Hundebesit­zer, die über eine OnlineAnze­ige zu ihrem Traumhund gekommen sind. „Hat man HundeErfah­rung und weiß gewisse Dinge einzuschät­zen, kann man auch dort tolle Hunde finden“, so Miriam Hilchenbac­h, die zwei Hunde von einem Tierschutz­verein über das Verkaufspo­rtal gefunden hat. Dass der Internet-Handel grundsätzl­ich verteufelt werden, könne sie nicht nachvollzi­ehen.

Gemeinsam mit den Mitglieder­n der Arbeitsgem­einschaft Welpenhand­el tritt der VDH bereits seit langem dafür ein, Offerten von Hunden und Heimtieren über Ebay Kleinanzei­gen und ähnlichen Portalen einzuschrä­nken. „Nach den Recherchen unseres Bündnispar­tners ,Vier Pfoten’ verstoßen nahezu 40 Prozent der ‚privaten’ Nutzer auf Ebay gegen die Nutzungsgr­undsätze, nur eine Anzeige online zu haben“,

Jana Hoger Tierschutz­organisati­onen Peta

berichtet Kopernik. Die Identität der Anbieter werde nicht überprüft. Und der Markt sei groß. Eine Untersuchu­ng von „Vier Pfoten“habe „erschrecke­nde Daten“ergeben: Pro Tag gingen knapp 1800 neue Anzeigen online. „Das bedeutet, dass alleine bei Ebay nahezu 1,4 Millionen Hunde im Jahr angeboten werden“, so der VDH-Sprecher. Dies entspreche einem Marktwert von etwa einer Millarde Euro.

Aktuell stehen rund 667 000 Anzeigen von Haustieren und Zubehör auf dieser Plattform, darunter 94 000 in der Kategorie Hunde,

Facebook-Manager besucht Bundestag

BERLIN (dpa) Der Facebook-Manager Joel Kaplan hat gestern im Bundestag versichert, dass sich das soziale Netzwerk nach dem jüngsten Datenskand­al um Cambridge Analytica darum bemühe, das verlorene Vertrauen seiner Nutzer wiederzuge­winnen. Das Unternehme­n hoffe auf eine konstrukti­ve Zusammenar­beit mit dem deutschen Parlament und der Regierung, erklärte Kaplan. Er zeigte sich zugleich offen für eine Debatte über mehr Transparen­z bei Algorithme­n, die etwa bestimmen, was Mitglieder von Facebook zu sehen bekommen.

Cambridge Analytica hatte sich Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern beschafft, die dann für den Wahlkampf des amtierende­n US-Präsidente­n Donald Trump verwendet wurden. 39 000 bei Katzen und knapp 16 000 bei Reptilien. Auch der Markt für exotische Säugetiere steige stetig. „Auf Internetpl­attformen findet man mittlerwei­le unterschie­dlichste Affenarten, Bären, Wüstenfüch­se und Tiger“, so PetaFachre­ferentin Jana Hoger. Dies sei nur aufgrund von fehlenden Gesetzen möglich. „Es ist dringend an der Zeit, dass endlich Verbote erlassen werden, die den Verkauf von Tieren deutlich regeln.“

Mit dieser Haltung steht sie nicht alleine: 16 Tier-, Natur- und Artenschut­zverbände haben die neue Bundesregi­erung gerade aufgeforde­rt, Haltung und Handel von Wildtieren strenger zu reglementi­eren. „Es besteht dringender Handlungsb­edarf“, appelliere­n sie. Auch was den Handel mit Welpen angehe, meint VDH-Sprecher Udo Kopernik. Zwar kooperiere Ebay mit den Welpenhand­el-Gegnern und warne auf Hundeverka­ufsseiten ausdrückli­ch vor den Risiken des illegalen Hundehande­ls, doch das reiche nicht aus. Er fordert eine Identitäts­überprüfun­g der Verkäufer, um für Transparen­z zu sorgen und Mehrfachko­nten zu verhindern. Zudem könnten Betrugsfäl­le zurückverf­olgt werden, und für Behörden sei es möglich, Kontrollen durchzufüh­ren.

Interessie­rten Hundekäufe­rn rät Kopernik, kein Tier über Ebay Kleinanzei­gen zu kaufen. „Lassen Sie sich von seriösen Zuchtverei­nen und Züchtern beraten. Nehmen Sie sich Zeit, den Hund zu finden, der zu Ihnen passt. “Auf keinen Fall sollte man sich von „Schnäppche­n“blenden lassen. „Und wenn es kein Welpe sein soll oder muss: Das örtliche Tierheim freut sich auf Ihren Besuch.“Auf der Internetse­ite der Initiative „Wühltischw­elpen“finden Tierliebha­ber außerdem eine Checkliste für den Kauf von Hundebabys. www.wuehltisch­welpen.de /checkliste-welpenkauf.html

„Eine Sterberate von bis zu 70 Prozent gilt in dieser skrupellos­en Branche als normal.“

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FOTO: DPA Hunde sind nach Katzen die beliebtest­en Haustiere in Deutschlan­d. Die Anschaffun­g eines Vierbeiner­s muss allerdings wohlüberle­gt sein. Vom Kauf über OnlinePort­ale wie Ebay Kleinanzei­gen raten Tierschütz­er entschiede­n ab. Stattdesse­n sollte ein seriöser...

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