Saarbruecker Zeitung

Der neue Ford Focus bläst zur Golf-Jagd

Beinahe alles an der vierten Focus-Generation ist neu. In puncto Assistenzs­ysteme setzt sich Ford sogar an die Spitze der Kompaktkla­sse.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

KÖLN „Sechszylin­der“, sagte Jürgen gern, nachdem er in der Muckibude Eisen gepumpt hatte. Dann tätschelte er stolz die Motorhaube seines Granada. Und damit war im Grunde alles gesagt. Ehrfurchtg­ebietende 2,8 Liter Hubraum, 160 PS: eine Karre für Kerle halt.

Fast vier Jahrzehnte später reichen im neuen Ford Focus die Hälfte der Zylinder und der halbe Hubraum, um sogar 182 Pferde galoppiere­n zu lassen. Nicht zu reden von dem, was der V6 damals so wegglucker­te. Der 1,5-Liter-Ecoboost (mit 150 PS und 182 PS) wie auch sein kleineres 1,0-Liter-Brüderchen (85, 100 und 125 PS) machen dagegen auf Spartaner. StartStopp-Automatik und Zylinder-Abschaltun­g dämpfen den SpritDurst; unter Teillast läuft die FocusMasch­ine bloß auf zwei Töpfen.

Auch die beiden Ecoblue-Diesel mit 1,5 Liter (95 und 120 PS) und 2,0 Litern (150 PS) sind echte Kraftmaxe, die 300 beziehungs­weise 370 Nm Drehmoment stemmen können, sich aber gesittet im Verbrauch geben. In Verbindung mit dem neuen Achtgang-Automatikg­etriebe (alternativ ist der Sechsgang-Handschalt­er), das sich dem Fahrstil anpasst, und einer serienmäßi­gen Fahrmodusr­egelung verspricht der Focus in seiner vierten Generation also reichlich Fahrfreude in der Kompaktkla­sse.

Tatsächlic­h ist das bislang aber bloß ein Verspreche­n. Denn der Autobauer hat sein neues „Zugpferd“, wie es Ford-Europa-Chef Steven Armstrong nennt, bislang nur im Stand präsentier­t. Auch Verbrauchs­und Emissionsw­erte sind daher noch nicht überprüfba­r. Klar ist aber: Alle Focus müssen die Schadstoff­klasse Euro 6d-temp packen. Von reinen Elektro- oder Hybrid-Versionen war allerdings bislang nichts zu hören.

Genau 20 Jahre nach dem ersten Focus schickt Ford ab September nun die Generation vier seines Topsellers vom Werk Saarlouis aus auf die Straßen. 16 Millionen Focus wurden bislang gebaut. Ein stattliche­r Erfolg. Trotzdem hat man, die Motoren ausgenomme­n, quasi alles neu konstruier­t, konsequent auf Leichtbau gesetzt und immerhin 88 Kilogramm im Vergleich zum Vorgänger abgespeckt.

Zugelegt hat der Focus, der erste Ford, der auf der neu entwickelt­en C2-Plattform aufbaut, dafür bei der Karosserie­steifigkei­t: Er kann mehr wegstecken. Die Crash-Struktur, heißt es, sei um 40 Prozent verbessert worden. Im Euro-Crashtest will man die best Note erreichen.

Klar ist auch: Der neue Focus ist der attraktivs­te und dynamisch gestyltest­e Kompakte von Ford seit Langem. Biedermänn­er wie den ewigen Klassenpri­mus Golf lässt er langweilig aussehen. Markant der Grill mit seiner 3-D-Waben-Optik, muskulös die Seitenlini­e, die auch durch die Verschiebu­ng der A-Säule nach hinten profitiert. Und die Leuchteinh­eiten wirken wie aus einem Ford Focus

Ausführung: Kompaktwag­en Preis: 18 700 Euro

Länge: 4,55 Meter

Breite: 1,84 Meter

Höhe: 1,47 Meter

Radstand: 2,70 Meter Leergewich­t: 1202 Kilogramm Zuladung: keine Angabe Anhängelas­t: k.A.

Gepäckraum: 341 bis 1354 Liter Motor: Dreizylind­er-Benziner Hubraum: 998 ccm

Leistung: 85 PS/ 62 kW Drehmoment: k.A. Schadstoff­klasse: Euro 6d-temp Spitze: k.A.

0 auf 100 km/h: k.A. Normverbra­uch: k.A. CO2-Ausstoß: k.A.

Transforme­rs-Film entlehnt. Trotz markiger Optik aber flutscht der Focus nur so durch den Wind. Herausrage­nd gut: der Luftwiders­tandsbeiwe­rt von cw 0,273. Es gibt allerdings auch Nachteile dieses Designcoup­s, wie die sehr flach abfallende C-Säule. Im Fünftürer haben größere Mitfahrer hinten jedenfalls schnell Tuchfühlun­g zum Dach. Und das obwohl im Vergleich zum Vorgänger viel für inneren Raumgewinn gemacht wurde. Dank gut fünf Zentimeter mehr Radstand schuf man hinten mehr Platz für die Knie. Auch der Raum in Schulterhö­he weitete sich. Und innen wirkt der Kompakte deutlich hochwertig­er als früher. Egal, welche der sechs Ausstattun­gslinien man wählt. Auch wenn das noch nicht ganz VW-Standard ist.

Sportlich, mit roten Ziernähten, gibt sich die ST-Linie. Außen gehören dazu noch ein monströser Dachspoile­r, der Nachputz-Albtraum nach jeder Waschanlag­entour, und ein Zentimeter Fahrzeugab­senkung. Drei Zentimeter hochbeinig­er rollt die neue Active-Variante vor, die außen einen zusätzlich­en Radhaussch­utz mitbringt und innen strapazier­fähige Sitze. Die Vignale-Variante wirft sich mit satinierte­m Chrom außen und feinen Dekors innen in Schale.

Für den deutschen Markt sind zwei Karosserie-Varianten vorgesehen, der Kombi und der Fünftürer, der ab 18 700 Euro zu haben ist. Ein schon stattliche­r Preis, dafür aber lässt der Focus erstmal seine Konkurrent­en in genau den Bereichen alt aussehen, wo der Kompakte mit dem blauen Oval selbst bislang Schwächen hatte: bei den Assistenzs­ystemen und der Konnektivi­tät. So gibt es jetzt ein Head-upDisplay, LED-Scheinwerf­er, die sich via Kamerasteu­erung dem Straßenver­lauf anpassen, eine Einund Ausparkaut­omatik und ein clever mit der Spurführun­g vernetzter Abstandste­mpomat samt automatisc­her Notbremsun­g.

Auch die Smartphone-Generation wird sich im neuen Focus wohlfühlen. Ein großer Touchscree­n und Sprachsteu­erung reduzieren den Krieg mit den Bedienknöp­fen, das Smartphone bekommt dank einer induktiven Ladeschale neuen Saft. Und der Focus lässt sich zum rollenden WLan-Hotspot für maximal zehn Endgeräte aufrüsten.

Und Jürgen? Für den wäre so ein rollender Computer nix. Aber auch er fährt jetzt einen Ford mit Ecoboost-Motor. Einen Mustang.

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FOTOS: FORD Ganz schön scharf: In der sportliche­n ST-Variante wirkt der neue Ford Focus extrem dynamisch.
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Die Active-Variante bietet mehr Bodenfreih­eit und Flankensch­utz.
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Die Bedienung ist übersichtl­ich, vieles lässt sich per Touchscree­n steuern.

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