Der neue Ford Focus bläst zur Golf-Jagd
Beinahe alles an der vierten Focus-Generation ist neu. In puncto Assistenzsysteme setzt sich Ford sogar an die Spitze der Kompaktklasse.
KÖLN „Sechszylinder“, sagte Jürgen gern, nachdem er in der Muckibude Eisen gepumpt hatte. Dann tätschelte er stolz die Motorhaube seines Granada. Und damit war im Grunde alles gesagt. Ehrfurchtgebietende 2,8 Liter Hubraum, 160 PS: eine Karre für Kerle halt.
Fast vier Jahrzehnte später reichen im neuen Ford Focus die Hälfte der Zylinder und der halbe Hubraum, um sogar 182 Pferde galoppieren zu lassen. Nicht zu reden von dem, was der V6 damals so weggluckerte. Der 1,5-Liter-Ecoboost (mit 150 PS und 182 PS) wie auch sein kleineres 1,0-Liter-Brüderchen (85, 100 und 125 PS) machen dagegen auf Spartaner. StartStopp-Automatik und Zylinder-Abschaltung dämpfen den SpritDurst; unter Teillast läuft die FocusMaschine bloß auf zwei Töpfen.
Auch die beiden Ecoblue-Diesel mit 1,5 Liter (95 und 120 PS) und 2,0 Litern (150 PS) sind echte Kraftmaxe, die 300 beziehungsweise 370 Nm Drehmoment stemmen können, sich aber gesittet im Verbrauch geben. In Verbindung mit dem neuen Achtgang-Automatikgetriebe (alternativ ist der Sechsgang-Handschalter), das sich dem Fahrstil anpasst, und einer serienmäßigen Fahrmodusregelung verspricht der Focus in seiner vierten Generation also reichlich Fahrfreude in der Kompaktklasse.
Tatsächlich ist das bislang aber bloß ein Versprechen. Denn der Autobauer hat sein neues „Zugpferd“, wie es Ford-Europa-Chef Steven Armstrong nennt, bislang nur im Stand präsentiert. Auch Verbrauchsund Emissionswerte sind daher noch nicht überprüfbar. Klar ist aber: Alle Focus müssen die Schadstoffklasse Euro 6d-temp packen. Von reinen Elektro- oder Hybrid-Versionen war allerdings bislang nichts zu hören.
Genau 20 Jahre nach dem ersten Focus schickt Ford ab September nun die Generation vier seines Topsellers vom Werk Saarlouis aus auf die Straßen. 16 Millionen Focus wurden bislang gebaut. Ein stattlicher Erfolg. Trotzdem hat man, die Motoren ausgenommen, quasi alles neu konstruiert, konsequent auf Leichtbau gesetzt und immerhin 88 Kilogramm im Vergleich zum Vorgänger abgespeckt.
Zugelegt hat der Focus, der erste Ford, der auf der neu entwickelten C2-Plattform aufbaut, dafür bei der Karosseriesteifigkeit: Er kann mehr wegstecken. Die Crash-Struktur, heißt es, sei um 40 Prozent verbessert worden. Im Euro-Crashtest will man die best Note erreichen.
Klar ist auch: Der neue Focus ist der attraktivste und dynamisch gestylteste Kompakte von Ford seit Langem. Biedermänner wie den ewigen Klassenprimus Golf lässt er langweilig aussehen. Markant der Grill mit seiner 3-D-Waben-Optik, muskulös die Seitenlinie, die auch durch die Verschiebung der A-Säule nach hinten profitiert. Und die Leuchteinheiten wirken wie aus einem Ford Focus
Ausführung: Kompaktwagen Preis: 18 700 Euro
Länge: 4,55 Meter
Breite: 1,84 Meter
Höhe: 1,47 Meter
Radstand: 2,70 Meter Leergewicht: 1202 Kilogramm Zuladung: keine Angabe Anhängelast: k.A.
Gepäckraum: 341 bis 1354 Liter Motor: Dreizylinder-Benziner Hubraum: 998 ccm
Leistung: 85 PS/ 62 kW Drehmoment: k.A. Schadstoffklasse: Euro 6d-temp Spitze: k.A.
0 auf 100 km/h: k.A. Normverbrauch: k.A. CO2-Ausstoß: k.A.
Transformers-Film entlehnt. Trotz markiger Optik aber flutscht der Focus nur so durch den Wind. Herausragend gut: der Luftwiderstandsbeiwert von cw 0,273. Es gibt allerdings auch Nachteile dieses Designcoups, wie die sehr flach abfallende C-Säule. Im Fünftürer haben größere Mitfahrer hinten jedenfalls schnell Tuchfühlung zum Dach. Und das obwohl im Vergleich zum Vorgänger viel für inneren Raumgewinn gemacht wurde. Dank gut fünf Zentimeter mehr Radstand schuf man hinten mehr Platz für die Knie. Auch der Raum in Schulterhöhe weitete sich. Und innen wirkt der Kompakte deutlich hochwertiger als früher. Egal, welche der sechs Ausstattungslinien man wählt. Auch wenn das noch nicht ganz VW-Standard ist.
Sportlich, mit roten Ziernähten, gibt sich die ST-Linie. Außen gehören dazu noch ein monströser Dachspoiler, der Nachputz-Albtraum nach jeder Waschanlagentour, und ein Zentimeter Fahrzeugabsenkung. Drei Zentimeter hochbeiniger rollt die neue Active-Variante vor, die außen einen zusätzlichen Radhausschutz mitbringt und innen strapazierfähige Sitze. Die Vignale-Variante wirft sich mit satiniertem Chrom außen und feinen Dekors innen in Schale.
Für den deutschen Markt sind zwei Karosserie-Varianten vorgesehen, der Kombi und der Fünftürer, der ab 18 700 Euro zu haben ist. Ein schon stattlicher Preis, dafür aber lässt der Focus erstmal seine Konkurrenten in genau den Bereichen alt aussehen, wo der Kompakte mit dem blauen Oval selbst bislang Schwächen hatte: bei den Assistenzsystemen und der Konnektivität. So gibt es jetzt ein Head-upDisplay, LED-Scheinwerfer, die sich via Kamerasteuerung dem Straßenverlauf anpassen, eine Einund Ausparkautomatik und ein clever mit der Spurführung vernetzter Abstandstempomat samt automatischer Notbremsung.
Auch die Smartphone-Generation wird sich im neuen Focus wohlfühlen. Ein großer Touchscreen und Sprachsteuerung reduzieren den Krieg mit den Bedienknöpfen, das Smartphone bekommt dank einer induktiven Ladeschale neuen Saft. Und der Focus lässt sich zum rollenden WLan-Hotspot für maximal zehn Endgeräte aufrüsten.
Und Jürgen? Für den wäre so ein rollender Computer nix. Aber auch er fährt jetzt einen Ford mit Ecoboost-Motor. Einen Mustang.