Die dickste Kröte ist der hohe Kaufpreis
Fiat gehört mit fünf Pkw-Modellen und drei leichten Nutzfahrzeugen zu den Marktführern bei den Erdgas-Fahrzeugen.
FRANKFURT In zahlreichen Hochglanzbroschüren und einschlägigen Internet-Foren ist die Zukunft elektrisch. Wann und wie diese Zukunft flächendeckend existieren wird, steht aber überall noch in den Sternen. Doch die Vorgaben der EU verpflichten die Hersteller schon jetzt, den Verbrauch ihrer Fahrzeuge zu senken. Und viele Kunden legen Wert auf einen niedrigen Spritkonsum. Fast heimlich kommt nun erneut eine Technologie in die Verkaufsräume, die in jüngerer Vergangenheit aufgrund günstiger Benzin- und Dieselpreise schon im Verschwinden begriffen war: gasbetriebene Autos.
Fiat verkauft bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten den Erdgas-Antrieb in großen Stückzahlen, was vor allem mit der weiten Verbreitung im Heimatland Italien zu tun hat. Mehr als 740 000 solcher Fahrzeuge verließen bisher die Produktionsbänder. Tatsächlich klingen die Fakten verführerisch, die FiatErdgasfachmann Kurt Pretscher zusammenfasst: „Methangas ist reaktionsfreudig und energiereich. Bei seiner Verbrennung bleiben fast nur Wasser und Kohlendioxid übrig.“Bis zu 98 Prozent besteht Erdgas (CNG = Compressed Natural Gas) aus dem Kohlenwasserstoff Methan. Betrachtet man einen Euro-6-Diesel, sinkt der Anteil der Stickoxide (NOX) im Abgas beim Betrieb mit Erdgas um 96 Prozent. Im Vergleich zum Euro-6-Benziner sind es 67 Prozent.
Auch bei Kohlendioxid (CO2) schneidet Erdgas wesentlich besser ab. Die Abgaswerte sinken um 23 Prozent gegenüber einem Euro-6Diesel und um 35 Prozent gegenüber einem Euro-6-Benziner. Rußpartikel werden praktisch ebenso vermieden wie der Austritt von Schwefeldioxid. Von Fahrverboten wären Erdgas-Fahrzeuge ausgenommen.
Sie behaupten sich sogar dann denkbar gut, wenn man sie mit Elektroautos vergleicht, zum Beispiel dem fünfsitzigen Nissan Leaf. Er ist das weltweit meistverkaufte Elektroauto. Sein Normverbrauch, der je nach Ausstattung zwischen 19,4 und 20,6 kWh auf 100 Kilometern liegt, entspricht einem CO2Ausstoß, der zwischen 104 und 110 Gramm je Kilometer liegt, wenn man berücksichtigt, wie in Deutschland Strom erzeugt wird. Der Mikrovan Fiat 500L Urban mit Erdgasantrieb stößt 105 Gramm CO2 je Kilometer aus.
Fiat hat sich bei den hierzulande erhältlichen fünf Pkw-Modellen und drei leichten Nutzfahrzeugen für einen bivalenten Antrieb entschieden. Zusätzlich zu den Gasdruckflaschen ist auch ein Benzintank an Bord. Kurt Pretscher nennt dafür zwei Gründe: „Zum einen ist die Umgebungswärme im Brennraum wichtig, deshalb starten wir grundsätzlich mit Benzin. Doch auch bei sehr niedriger Außentemperatur schaltet das System automatisch nach ein paar Sekunden auf Gasbetrieb um.“Der zweite Grund liegt im lückenhaften CNGTankstellennetz. Derzeit gibt es bundesweit 14 500 klassische Benzinund Diesel-Tankstellen, 7100 Flüssiggas-Tankstellen (LPG) und nur 900 Erdgas-Zapfstationen.
Damit man bei aufgebrauchtem Gasvorrat nicht liegenbleibt und um die Reichweite generell zu erhöhen, hat Fiat auch einen Benzintank eingebaut. Der Fahrer kann jederzeit auch per Schalter auf Benzinbetrieb umschalten. Prinzipiell sind die Gas-Flaschen in den FiatFahrzeugen im Unterboden angebracht. Je nach vorhandenem Platz reicht der Vorrat von zwölf Kilogramm CNG beim Kleinwagen Panda (theoretische Reichweite 400 Kilometer) bis 36 Kilogramm CNG beim Transporter Ducato (theoretische Reichweite 280 Kilometer). Rund 60 Kilogramm Mehrgewicht schleppt der Panda wegen seiner Stahltankflaschen mit. Der Kofferraum schrumpft aufgrund der fehlenden Reserveradmulde ein wenig. Beim Panda bleiben noch 200 Liter Fassungsvermögen, 25 Liter weniger als normal.
Die dickste Kröte, die ein ErdgasFreund schlucken muss, ist der Anschaffungspreis. Ein einheitlicher Aufpreis kann für Erdgas-Fahrzeuge zwar nicht genannt werden, da verschiedene Ausstattungen und unterschiedliche Motorleistungen viel Rechnerei erfordern und einen direkten Vergleich unterbinden. Der 80 PS/59 kW starke Zweizylinder Fiat 500L in der Erdgasausführung kostet beispielsweise ab 19 690 Euro. Die Version mit Zweizylinder-Benziner mit 105 PS/77 kW steht ab 17 790 Euro in der Liste.
Die Gretchenfrage: Wie viele Kilometer muss man fahren, um über den deutlich günstigeren ErdgasPreis an der Tankstelle die 1900 Euro mehr beim Autokauf auszugleichen? Grob über den Daumen gepeilt sind es 80 000 Kilometer. Wer mit spitzem Bleistift rechnet, könnte durch diese Erkenntnis zumindest ins Grübeln kommen. Trotzdem hat die ausgereifte ErdgasTechnologie einen gewissen Charme. Die Vorteile für die Umwelt wiegen möglicherweise den höheren Anschaffungspreis gegenüber Benzin-Modellen auf. Vielfahrer holen diese höheren Kosten über geringere Kraftstoffkosten natürlich schneller rein. Das sind einfache Rechenübungen.