Saarbruecker Zeitung

Wie ein saarländis­ches Hausmädche­n Geschichte schrieb

Der sehenswert­e Film „Lenchen Demuth und Karl Marx“feiert heute seine Uraufführu­ng im Kino in St. Wendel, am Donnerstag läuft er dann im SR.

- VON TOBIAS KESSLER Oliver Schwambach, Dietmar Klosterman­n Frauke Scholl, Fatima Abbas

Schach mit Karl Marx hatte seine Tücken – denn der Vordenker des Kommunismu­s verlor nicht gern. Also ließ sein Dienstmädc­hen Lenchen Demuth ihm gerne den Sieg, „sonst iss er nidd so gut gelaunt“: So erzählt es jedenfalls Alice Hoffmann in ihrer Rolle in „Lenchen Demuth und Karl Marx“, Klaus

Produktion dieser Seite:

Gietingers sehr lebendigem, oft witzigem Film über die St. Wendelerin Helena Demuth (1820-1890). Sie war Dienstmädc­hen erst bei Karl Marx, dann bei Friedrich Engels und somit mittendrin in den Geburtsweh­en des Kommunismu­s, der als Theorie zwingend war, nur eben in der Praxis bisher nicht recht funktionie­ren will. Oder wie es Hoffmann als Demuth in St. Wendeler Sprachfärb­ung sagt: „Schad’, dass das alles so in die Hos’ gang is.“

Regisseur und Autor Gietinger (Idee und Mitarbeit: Uschi Schmidt-Lenhard) begibt sich auf eine dreivierte­lstündige Spurensuch­e und auch auf eine Reise: In Demuths Geburtsort St. Wendel beginnt sie; im Pfarrarchi­v und im Stadtarchi­v erfährt man von der Armut ihrer Familie, unter der Lenchens Schulbildu­ng litt – wer zu Hause mit anpacken muss, kann nicht immer zur Schule. Nach Trier geht es, wo Demuth Dienstmädc­hen für die Familie Marx wird, mit ihr nach Paris geht, nach Köln, zurück nach Paris und dann ins Londoner Exil. Dort ist das Leben von katastroph­aler Ärmlichkei­t, Demuth kocht mit dem wenigen, was es gibt, und „de Karl“schreibt. Aber nicht nur – denn als seine Frau auf Reisen ist, um bei Verwandten Geld für die Familie aufzutreib­en, wird Lenchen Demuth von Marx schwanger. Das Kind? Es kommt zu einer Pflegemutt­er – wird später aber wieder auftauchen. Als Marx 1883 stirbt, organisier­t sie fortan den Haushalt von Friedrich Engels – und ordnet den Nachlass von Karl Marx.

Von einem prallen, oft schwierige­n Leben erzählt der Film in einer sehr reizvollen Mischung: In Spielszene­n sprechen Alice Hoffmann als ältere Demuth und Iris Reinhardt Hassenzahl als jüngere direkt in die Kamera (Marx sieht man nur unscharf oder von hinten), Biografinn­en und St. Wendeler Verwandte erzählen, der Film verbindet gekonnt persönlich­e Historie mit Weltgeschi­chte – ein Vergnügen.

Heute feiert der Film seine Uraufführu­ng im Neuen Theater in St. Wendel (20 Uhr). Am Donnerstag läuft er um 20.15 Uhr im SR, dann noch einmal am 13. Mai um 10.50 Uhr im SWR.

 ?? FOTO: GIETINGER ?? Alice Hoffmann beim Dreh zu „Lenchen Demuth und Karl Marx“.
FOTO: GIETINGER Alice Hoffmann beim Dreh zu „Lenchen Demuth und Karl Marx“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany