Saarbruecker Zeitung

Nordkorea verkündet Atomtest-Stopp

Zeitenwend­e oder nur leere Verspreche­n? Kim Jong Un hat angekündig­t, seine Raketen-Versuche einstellen zu wollen. Ob die Zeichen jetzt wirklich auf Abrüstung stehen, wird sich noch zeigen.

- VON ANDREAS LANDWEHR, MARTIN BIALECKI UND DIRK GODDER

PEKING/SEOUL/WASHINGTON (dpa) Jetzt müssen wir nicht mehr testen, weil wir längst eine Atomstreit­macht aufgebaut haben. So lässt sich die Botschaft von Kim Jong Un zusammenfa­ssen. Nordkoreas Machthaber will sich nunmehr auf den wirtschaft­lichen Aufbau seines armen, unter strengen Sanktionen leidenden Landes konzentrie­ren. Die Abkehr von seinen jahrelange­n Provokatio­nen mit Raketenver­suchen weckt Hoffnungen auf eine nukleare Abrüstung, aber aufgeben will Kim seine Atomwaffen keineswegs. Er verkündet vielmehr den „großen Sieg“, Nordkorea unter seiner Führung in nur kurzer Zeit zur Atommacht entwickelt zu haben.

Trotzdem ist seine Ankündigun­g, die Versuche einzustell­en, ein wichtiger erster Schritt. Er ebnet den Weg für die historisch­en Gipfeltref­fen des Machthaber­s mit dem südkoreani­schen Präsidente­n Moon Jae In und US-Präsident Donald Trump. Es ist sogar mehr, als sich diese zum gegenwärti­gen Zeitpunkt erhoffen konnten. Moon und Trump sprachen auch umgehend von einer guten Grundlage für ihre Begegnunge­n mit dem jungen nordkorean­ischen Führer. Den Auftakt macht das erste Treffen am Freitag im Grenzort Panmunjom mit Südkoreas Präsidente­n Moon.

Kims jüngstes Friedenssi­gnal überrascht­e, ließ zugleich aber viele Fragen offen. „Von einer Beseitigun­g der Atomwaffen, die das Land bereits besitzt, ist nicht die Rede“, sagt der südkoreani­sche Experte Lee Sang Hyun vom privaten Sejong-Institut. „Dennoch ist das ein positives Zeichen.“Die Frage, ob Nordkorea zu einer kompletten Denukleari­sierung bereit sei, sei äußerst komplex. Kim dürfte bei seinen Treffen mit Moon und Trump eine „umfassende Sicherheit­sgarantie“fordern. Doch kein Land sei imstande, eine solche Garantie auszustell­en, sagt Lee.

Trump wird Kims Ankündigun­g in den ihm eigenen Kategorien als geradezu monumental­e Bestätigun­g seines Kurses sehen. Die Nachricht aus Nordkorea war kaum in der Welt, da reagierte der US-Präsident schon begeistert auf Twitter: Ein „großer Fortschrit­t“sei das, für Nordkorea und für die Welt. „Ich freue mich auf unseren Gipfel.“Ende Mai, Anfang Juni steht im Raum. Vielleicht in Stockholm, Ulan Bator oder anderswo.

Nun spielt Kim dem Amerikaner anscheinen­d in die Karten. Geschickt verkündet der Machthaber den Sieg seiner Atomstrate­gie und gibt Trump im gleichen Atemzug etwas, was der US-Präsident seinerseit­s als Erfolg für sich reklamiere­n kann. Dabei verkündete Kim eigentlich, dass Nordkorea jetzt zum illustren Club der Atommächte gehört – Trump und andere mögen das bitte anerkennen. Denn eins haben alle Atommächte gemeinsam: Sie haben es nicht mehr nötig zu testen.

Wie weit seine nukleare Streitmach­t wirklich gediehen ist, bleibt offen. Sein Selbstbewu­sstsein impliziert aber, dass er einsatzfäh­ige Atomrakete­n besitzt. Die Bedrohung der USA und ihrer Verbündete­n bleibt damit glaubwürdi­g, dient unveränder­t als sein wichtigste­s Faustpfand. Mit der Ankündigun­g, das Atomtestge­lände Punggye-ri abzubauen, um „transparen­t“die Aussetzung der Nuklearver­suche zu garantiere­n, scheint Kim geradezu internatio­nale Inspekteur­e einzuladen, um sich davon zu überzeugen. Was Kim im Gegenzug will, zeigt seine Ankündigun­g, sich jetzt auf die Hebung des Lebensstan­dards seines Volkes konzentrie­ren zu wollen. Dafür müssten die Sanktionen gelockert werden. Auch ist wirtschaft­liche Hilfe nötig. Nur ohne atomare Abrüstung wird all das nicht geschehen. „Der entscheide­nde Punkt ist, dass sie die Atomwaffen aufgeben müssen, wenn sie die Wirtschaft entwickeln wollen“, sagt Professor Jin Qiangyi von der Yanbian Universitä­t in der Grenzprovi­nz Jilin.

Wenn Kim aber seine Atomwaffen nicht aufgeben will? Obergrenze­n für sein Atom- und Raketenars­enal wären ein erster Schritt, weil sie die Bedrohung eindämmen könnten, argumentie­ren Experten. Das Einfrieren der Tests öffnet die Tür, um Nordkoreas Arsenal so einzugrenz­en, dass die USA und ihre Verbündete­n sicherer wären, solange die Gespräche laufen. Erst muss das schwierige Erbe des Koreakrieg­es (1950-53) aufgearbei­tet, ein Friedensab­kommen geschlosse­n und mehr Vertrauen geschaffen werden, bevor die Abrüstung vorankomme­n kann. „Wenn sich die Lebensumst­ände der Menschen verbessern, erhöht sich die Möglichkei­t für eine Beseitigun­g der Atomwaffen“, sagt Professor Jin Qiangyi. Es könnte alles aber auch schief laufen, warnt der Experte. Wenn die Gespräche mit den USA scheitern, die Sanktionen und der militärisc­he Druck verschärft würden, könnte Kim die Tests auch wieder aufnehmen.

„Ich freue mich auf unseren Gipfel.“US-Präsident Donald Trump mit Blick auf das Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un

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FOTO: AFP/ KIM WON JIN Eilmeldung im Staatsfern­sehen: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat überrasche­nd angekündig­t, keine Atomtests mehr durchführe­n zu wollen.

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