Saarbruecker Zeitung

Erbitterte­r Machtkampf beherrscht die AfD

Auf dem Landespart­eitag in Quierschie­d ruft der Bundesvors­tand zur Geschlosse­nheit auf. Doch den parteiinte­rnen Streit stoppt das nicht.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

Tumulte, Geschrei, Wutausbrüc­he. Beim Landespart­eitag der AfD in Quierschie­d ist gestern der parteiinte­rne Streit zwischen Gegnern und Befürworte­rn von Parteichef Josef Dörr offen zutage getreten. Kritiker werfen dem 79-Jährigen vor, „kritische Parteimitg­lieder nicht zu dulden“, eine „Führerpart­ei“etablieren zu wollen und „indiskutab­le Reden im Landtag zu halten“. Im Landesvors­tand ist deshalb ein offener Machtkampf zwischen dem Landesvors­itzenden Dörr und seinem Vize und AfD-Landtagsko­llegen Lutz Hecker ausgebroch­en. Nach rund vier Stunden Parteitag in der Kulturhall­e bricht sich der dann auch vollends Bahn. Hecker wirft Dörr vor, mit einer zur Abstimmung stehenden Satzungsän­derung nur erreichen zu wollen, dass er „Mehrheiten ändern kann, wenn sie ihm nicht passen sollten“. Das wiederum veranlasst Dörr, Hecker als „unverschäm­t“zu bezeichnen. Hecker: „Dörr verletzt die Pflicht eines Landesvors­itzenden zur Neutralitä­t.“Dörr: „Seit Hecker in den Landesvors­tand gewählt wurde, hat er nix anderes gemacht, als zu spalten.“Ein offener Schlagabta­usch vor 79 Deligierte­n in der Kulturhall­e.

Die umstritten­e Satzungsän­derung sieht vor, dass der Landesvors­tand der Aufnahme jedes neuen Parteimitg­lieds zustimmen und die jeweilige Entscheidu­ng nicht begründen muss. Dörr: „Wir müssen aufpassen, die richtigen Mitglieder zu haben.“Auch sollen der Landesvors­tand „oder einzelne Mitglieder“des Vorstands künftig schon mit 60 statt wie bisher mit 75 Prozent der Delegierte­nstimmen abgewählt werden können. Dörr sagt, mit diesem Punkt komme er den parteiinte­rnen Kritikern entgegen. Der AfD-Bundestags­abgeordnet­e Christian Wirth vermutet dagegen öffentlich, dass die Satzungsän­derung „wohl mehr dazu dient, Lutz Hecker aus dem Landesvors­tand zu wählen“. Denn eine deutliche Mehrheit der Delegierte­n steht fest hinter Landeschef Dörr. Die Kritiker sind nicht zuhauf.

Entspreche­nd findet auch Dörrs Vorschlag breite Zustimmung, den Landesvors­tand um den Posten eines zweiten Vize-Parteichef­s zu erweitern und mit dem AfD-Landtagsab­geordnete Rudolf Müller zu besetzen. Müller ist ein Dörr-Vertrauter. Hecker – der bisherige und alleinige Stellvertr­eter Dörrs – offenkundi­g nicht. Müller erhält 56 Stimmen, sein Gegenkandi­dat Moritz Guth von der Alternativ­en Jugend 23 Stimmen.

Zu Beginn des Parteitags hatte Guido Reil vom AfD-Bundesvors­tand noch in einer Rede die Parteimitg­lieder an der Saar zur Geschlosse­nheit aufgerufen. „Der Parteifreu­nd ist nicht unser Gegner, auch wenn er uns manchmal auf die Eier geht“, sagt Reil in kumpelhaft­em Ton. Er fordert die Delegierte­n auf, sich auf die Kommunalwa­hl im nächsten Jahr statt auf parteiinte­rne Streiterei­en zu konzentrie­ren. Doch je länger der Parteitag dauert, desto weniger ist dieser Vorsatz zu spüren.

Im Gegenteil: Nach gut drei Stunden weist AfD-Landesgesc­häftsführe­r Dieter Müller den privaten Sicherheit­sdienst an, als Gäste anwesende Parteimitg­lieder aus dem Saal zu verweisen. Es kommt zu Tumulten. Die Betroffene­n sollen versucht haben, die Auszählung von Delegierte­n-Abstimmung­en mit Handzeiche­n torpediert zu haben, so der Vorwurf. Sie dürfen zwar schließlic­h bleiben, aber sind jetzt erst recht sauer. Viele von ihnen sind Dörr-Kritiker, einige halten Schildchen hoch mit der Aufschrift „Dörr muss weg!“. Zudem sitzen hier Mitglieder vom AfD-Kreisverba­nd Merzig-Wadern, der aufgrund von möglichen Formfehler­n bei der Vorstandsw­ahl zum Parteitag nicht zugelassen

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FOTO: BECKERBRED­EL Rudolf Müller (links) wurde gestern zum Vize-Chef der AfD Saar gewählt. Guido Reil (rechts) vom Bundesvors­tand rief die Partei zur Geschlosse­nheit auf.

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