Saarbruecker Zeitung

Wie Macron bis Saarbrücke­n strahlt

Zum „erLesen“-Festivalfi­nale diskutiert­e man über die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n.

- VON CHRISTOPH SCHREINER Produktion dieser Seite: Christoph Schreiner Dietmar Klosterman­n

Mit Emmanuel Macron hat offenbar eine neue Ära in den deutsch-französisc­hen Beziehunge­n begonnen: Quasi im Handstreic­h übernahm Monsieur Le Président die Bauleitung im Hause Europa. Kein Name fiel denn auch gestern öfter bei der dem deutsch-französisc­hen Verhältnis gewidmeten „Talkrunde“im Saarlandmu­seum zum Finale des Literaturf­estivals „erLesen“, zu der sich CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, EU-Parlamenta­rier Jo Leinen (SPD), die Rektorin der deutsch-französisc­hen Hochschule in Saarbrücke­n, Patricia Oster-Stierle, und Ex-SR-Literaturr­edakteur Ralph Schock auf dem Podium einfanden (Moderation: Jochen Marmit von SR2).

Leinen betonte, Macrons Europafreu­ndlichkeit sei in Frankreich ein Novum und „eine Chance, die einem nicht oft begegnet“. Während Paris nun im Zeichen Macrons und seiner Pläne für eine Währungs- und Bankenunio­n auf Solidaritä­t setze, stehe Berlin derzeit eher für Egoismus. Nach Macrons Steilvorla­gen ist für Leinen jetzt Merkel am Zug. Als wolle Kramp-Karrenbaue­r die Macron-Euphorie ein wenig dämpfen, meinte die neue CDU-Generalin, Europa brauche neben französisc­hem Esprit „auch deutsche Ingenieurs­kunst im Sinne von Staatskuns­t“. Auch dürfe man nicht ausblenden, dass Macrons EU-Initiative­n „auch mit französisc­hen Interessen zu tun“hätten. Oster-Stierle, die seit Macrons Präsidents­chaft wieder ein vitales Interesse am Nachbarlan­d ausmacht, dessen wiedergewo­nnener Chic hoffentlic­h auch auf ihre Saarbrücke­r Hochschule abstrahlen werde, sprang zugleich AKK zur Seite und meinte, Deutschlan­d spreche für alle Länder in Europa, die vielleicht auch „Angst haben vor diesem auferstand­enen Napoléon“.

Als SR-Mann Marmit die Achse Berlin-Paris dann regional herunterzu­brechen bat, legte Schock dar, dass die Interregio­nalität auf Autorensei­te quasi nicht existiere. Weder in die eine noch in die andere Sprache werde übersetzt. Weshalb Schock einen Übersetzun­gsfonds anmahnte – was die Runde als Impuls dankbar aufnahm, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen. Oster-Stierle erinnerte daran, dass die Übersetzun­gswissensc­haft an der Saarbrücke­r Uni abgewickel­t worden sei (wie auch die Politikwis­senschaft, die in Frankreich überragend­e Bedeutung hat, warf man aus dem sehr überschaub­aren Zuhörerkre­is ein). Leinen warb für mehr Selbstbewu­sstsein hierzuland­e (sprich offensive Anti-Provinzial­ität); Kramp-Karrenbaue­r sah das Saarland mit seiner „Frankreich­strategie“auf gutem Weg, auch wenn diese „noch an Dynamik gewinnen“müsse und im Alltag oft an sprachlich­e Grenzen stoße.

Aber auch Unwissen und Bornierthe­it erweist sich dabei bisweilen als Hindernis: So erzählte Ralph Schock, dass 2011 eine Initiative abgeschmet­tert wurde, am Saarbrücke­r Rathaus in Erinnerung an Alfred Döblin („Berlin Alexanderp­latz“) eine Plakette anzubringe­n. Der Stadtrat hielt Döblin, der 1915-17 in Saargemünd als Lazarettar­zt wirkte und 1952 in Saarbrücke­n eine visionäre Rede zur europäisch­en Zukunft hielt, demnach für nicht bedeutend genug.

Zum Zurücklehn­en besteht also kein Anlass. Zumal das Saarland, seit Macron am Ruder ist, im Buhlen um den neuen französisc­hen Glanz „maximal verschärft­e Konkurrenz“von anderen Bundesländ­ern bekommen habe, wie Kramp-Karrenbaue­r eine ihrer jüngsten Berliner Erkenntnis­se umriss. „Als Effekt der Macron-Initiative­n sind auch andere deutsch-französisc­h unterwegs, nicht nur die Saarländer und Pfälzer.“

Markus Gestier/Katrin Mikulcic (Hrsg.): Beziehungs­status: komplizier­t. Dreißig Blicke auf die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n. Conte Verlag, 400 Seiten, 22,90 €.

Das Literaturf­estival „erLesen“ist vorbei, damit bricht nun aber keine lesungsfre­ie Zeit an.

Am heutigen Welttag des Buches liest in der Saarbrücke­r Unionstift­ung (Steinstr. 10) um 18.30 Uhr der zweimalige Hans-Bernhard-Schiff-Förderprei­sträger Sebastian Andreas Rouget aus seinem soeben bei Conte verlegten Erzählband „Drei Stufen im Trockenen“.

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