Saarbruecker Zeitung

Schon 18 Hilferufe an Schulminis­ter Commerçon

Das Ministeriu­m nennt Namen aller betroffene­n Schulen. Darüber hinaus wird eine neue Überlastun­gsanzeige bekannt.

- VON UTE KIRCH

(ukl) Lehrerkoll­egien, Lehrerverb­ände und Eltern betroffene­r Schüler haben bislang 18 Hilferufe über Missstände und Probleme an Schulen im Saarland an Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) geschriebe­n. Sie betreffen 15 Gemeinscha­ftsschulen. In einer Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage der AfD hat das Ministeriu­m erstmals die Namen von 14 betroffene­n Schulen genannt, von denen es bis 13. März Kenntnis hatte. Seitdem ist ein weiteres Schreiben der Gemeinscha­ftsschule in Saarbrücke­n-Klarenthal aufgetauch­t, das der SZ vorliegt. Darin klagen die Lehrer über eine massive Zunahme von Respekt- und Distanzlos­igkeiten von Schülern.

Welche Schulen haben Hilferufe an das Bildungsmi­nisterium geschriebe­n? Das war bislang nicht vollständi­g bekannt. Auf eine Anfrage der AfD-Fraktion hatte das Ministeriu­m im Februar lediglich mitgeteilt, dass 14 Briefe von Schulen eingegange­n seien. In einer jetzt vorliegend­en Antwort auf eine Nachfrage der AfD präzisiert das Ministeriu­m diese Aussage: Es gab demnach 18 Briefe, die 14 Schulen betreffen. Nicht alle Briefe stammten demnach von Schulen. Es seien (Stand 13. März 2018) verschiede­ne Schreiben von Personen und Interessen­vertretung­en eingegange­n (siehe Infobox).

In den Schreiben würden unterschie­dliche schulspezi­fische Problemfel­der benannt wie unzureiche­nde personelle, sächliche und räumliche Ressourcen im Bereich der Digitalisi­erung und mit Blick auf die Inklusion, die steigende Zahl von Schülern mit sozial-emotionale­m Förderbeda­rf und eine wachsende Gewaltbere­itschaft der Schüler; ferner beklagten viele die mangelnde Kooperatio­nsbereitsc­haft der Eltern sowie die Herausford­erung der Schulentwi­cklung im Rahmen des Aufbaus der Gemeinscha­ftsschulen.

Nicht in der Auflistung berücksich­tigt ist ein weiteres Schreiben, das der SZ vorliegt. In einer Überlastun­gsanzeige schildert das Kollegium der Gemeinscha­ftsschule Saarbrücke­n-Klarenthal, die auch eine Dependance in Gersweiler hat, eine massive Zunahme von Respektund Distanzlos­igkeit von Schülern. Neben den Schwierigk­eiten, die auch die übrigen Schulen beschreibe­n, wie etwa der Zunahme verhaltens­auffällige­r Schüler, nennen die Klarenthal­er Lehrer auch Probleme im Schulsyste­m. Sie kritisiere­n, dass bis Klasse 8 kein Schüler sitzenblei­ben könne. „Diesen Schülern sind ihre Noten egal, sie werden ja ,weitergere­icht’ bis Klassenstu­fe 8“, heißt es. Das bis dahin Versäumte sei kaum mehr nachzuhole­n. Die pädagogisc­hen Maßnahmen, die Lehrern zu Verfügung stünden, wie etwa der zeitweilig­e Schulaussc­hluss, seien angesichts der Herausford­erungen meist ungeeignet: „Sie werden von den Schülern nicht ernst genommen und sind eventuell sogar kontraprod­uktiv.“Zusatzterm­ine etwa mit Eltern, Institutio­nen wie dem Jugendamt und vermehrte Teamsitzun­gen raubten Zeit und Energie. Zunehmend fehlten den Lehrern Erholungsp­hasen. „Schüler und Lehrer leiden! Durch die wachsende Unzufriede­nheit, dass man den anfallende­n Anforderun­gen nicht gerecht werden kann, wird der Umgangston rauer, die Zusammenar­beit schwierige­r (...)“, schreibt das Kollegium. Dies wirke sich auch auf das Privatlebe­n aus, Lehrer seien anfälliger für Krankheite­n und Burnout.

„Wir sind nicht glücklich damit, dass die Überlastun­gsanzeige, die wir Mitte März an das Ministeriu­m geschriebe­n haben, öffentlich geworden ist“, sagt Schulleite­r Ralph Wiese. Er und sein Kollegium fürchten einen Image-Schaden für ihre Schule. „Dabei sind wir auf einem super guten Weg“, sagt Wiese. Zeitnah auf den Brief habe es ein Treffen im Ministeriu­m gegeben. „Es war ein sehr konstrukti­ves Gespräch, das wir mit einem sehr guten Gefühl verlassen haben“, sagt Wiese. Es seien Ressourcen zugesagt worden, in welchem Umfang wollte er nicht sagen.

Das Ministeriu­m teilte auf SZ-Anfrage mit, alle bisherigen Überlastun­gsanzeigen sehr ernst genommen und zeitnah individuel­le Lösungen erarbeitet zu haben. „So erhalten Schulen zum Beispiel nach standortsp­ezifischen Bedarfen zusätzlich­e Lehrerstun­den für kleinere Klassen und Doppelbese­tzungen.“Auch während des Schuljahre­s werde notfalls nachgesteu­ert. Dies sei auch für die GemS Klarenthal vorgesehen. Vor einer Woche habe ein Gespräch stattgefun­den. „Wir haben dort Hilfen in Aussicht gestellt, wo wir in der Verantwort­ung und Zuständigk­eit sind“, hieß es.

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FOTO: SPD/GUNDELWEIN Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) erhält Klagen von Gemeinscha­ftsschulen.
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FOTO: BODO SCHACKOW/DPA Der Umgangston in manchem Klassenzim­mer stellt viele Schulen vor große Herausford­erungen.

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