Saarbruecker Zeitung

Saarland sichert Top-Spiele im Fußball mit Millionen

Das Saarland reagiert reserviert auf einen neuen Plan, den ProfiFußba­ll an Polizeikos­ten zu beteiligen.

- VON CHRISTIAN SCHULTZ UND GERRIT DAUELSBERG

(kes/sid/ gda) Die Sicherung von Fußballspi­elen mit besonderer Gefahr von Fan-Ausschreit­ungen kostet das Saarland nach SZ-Informatio­nen jährlich bis zu einer knappen Million Euro. Dies ergibt sich nach Angaben des Innenminis­teriums, wenn man die Einsatzstu­nden der Polizei und die dabei entstanden­en Personalko­sten hochrechne­t. Das Ministeriu­m reagierte gestern aber zurückhalt­end auf eine neue Initiative der Länder Bremen und Rheinland-Pfalz, die eine stärkere Beteiligun­g des Profifußba­lls an den Polizei-Kosten anstrebt. Nach dem gestern vorgestell­ten Modell soll die Deutsche Fußball Liga (DFL) künftig jährlich eine zweistelli­ge Millionens­umme in einen Fonds einzahlen, aus dem Mehrkosten für Hochrisiko­spiele beglichen werden. Angesichts der hohen Einnahmen im Fußball „dürfen wir auch erwarten, dass gerade mit Blick auf vermehrte Gewaltexze­sse die zunehmende­n Kosten für einen verstärkte­n Polizeiein­satz nicht alleine beim Steuerzahl­er aufschlage­n“, sagte der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD).

Die Fonds-Lösung bieten die beiden Länder als außergeric­htliche Einigung in einem Verfahren an, das beim Bundesverw­altungsger­icht liegt: Im Februar hatte das Oberverwal­tungsgeric­ht Bremen Gebührenbe­scheide der Hansestadt für die Sicherung der Spiele von Werder Bremen grundsätzl­ich für rechtens erklärt. Die DFL legte Revision ein und will zur Not bis zum Bundesverf­assungsger­icht gehen.

Das Saar-Innenminis­terium verwies gestern darauf, dass es noch keine rechtskräf­tige Entscheidu­ng gebe. Bliebe es bei der Gebührenpf­licht, strebe man eine „bundesweit einheitlic­he Haltung der Länder“an. Laut Ministeriu­m gab es allein in der Saison 2016/2017 acht „Rotspiele“im Saarland, also Begegnunge­n mit hohem Risiko von Fan-Ausschreit­ungen. Dabei fielen 15 601 Einsatzstu­nden der Polizei an, sodass mit Personalko­sten von 918 899 Euro kalkuliert werde. In den Spielzeite­n davor waren es 677 998 und 970 790 Euro.

29. Oktober 2016: Schwere Krawalle überschatt­en das Saar-Derby zwischen dem FC Homburg und dem 1. FC Saarbrücke­n. Wieder einmal ist die Situation am Rande eines „Rot-Spiels“eskaliert. Anhänger der beiden Vereine geraten vor und nach der Regionalli­ga-Partie (Endstand: 3:3) aneinander. Die Bilanz: 17 Randaliere­r werden in Gewahrsam genommen, es gibt 25 Strafanzei­gen. Auch Passanten werden in Mitleidens­chaft gezogen. Die Polizei ist mit einem Großaufgeb­ot im Einsatz. Und wer bezahlt das alles? Allein der Steuerzahl­er. Noch.

Ausgehend vom Land Bremen gibt es Bestrebung­en, die Kosten für Polizeiein­sätze bei „Rot-Spielen“, das sind Partien mit besonders hohem Konfliktpo­tenzial, dem Veranstalt­er in Rechnung zu stellen. Im Bremer Fall ist das die Deutsche Fußball Liga (DFL). Der Stadtstaat hat seit 2015 mehrere Rechnungen an den Verband geschickt. Der wehrt sich dagegen und unterlag zuletzt im Februar vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht Bremen. Nun liegt der Ball beim Bundesverw­altungsger­icht, das allerdings nicht vor Frühjahr 2019 entscheide­n dürfte.

Mit einem neuen Vorstoß will man den Streit nun beenden: Bremens Innensenat­or Ulrich Mäurer und der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (beide SPD) bringen ein Fondsmodel­l ins Spiel, das Abrechnung­en zu einzelnen Spielen überflüssi­g machen soll. In den neuen Fonds solle die DFL jährlich eine zweistelli­ge Millionens­umme zahlen, betont Mäurer. Mit dem Geld solle ein Teil der Mehrkosten bezahlt werden, die bei Hochrisiko­spielen entstehen.

Die DFL teilt dazu mit, von dem Vorschlag bislang nur aus den Medien erfahren zu haben. „Der Ausgangspu­nkt des Fußballs ist und bleibt es, die Einsatzstu­nden der Polizistin­nen und Polizisten zu reduzieren. Dies gilt von der Bundesliga bis in untere Spielklass­en, die nicht im Verantwort­ungsbereic­h der DFL liegen.“

Die Vergangenh­eit aber zeige, dass der Einsatzbed­arf trotz Fanprojekt­en zunehme, betont Lewentz. „Es gibt immense Erlöse aus Spielerver­käufen und Werbeeinna­hmen im Fußballges­chäft. Dann dürfen wir auch erwarten, dass gerade mit Blick auf vermehrte Gewaltexze­sse die zunehmende­n Kosten für einen verstärkte­n Polizeiein­satz nicht alleine beim Steuerzahl­er aufschlage­n.“Lewentz und Mäurer wollen das Thema bei der Innenminis­terkonfere­nz im Juni vorbringen, rechnen dort derzeit aber nicht mit einer Mehrheit für ihr Vorhaben.

Nordrhein-Westfalen lehnt eine DFL-Beteiligun­g an Polizeikos­ten ab. „Wenn wir anfangen, Rechnungen zu schreiben, fällt auch die Abgrenzung zu anderen kommerziel­len Großverans­taltungen schwer“, sagt NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) der „Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung“.

Das Saar-Innenminis­terium verweist

„Wenn wir anfangen,

Rechnungen zu schreiben, fällt auch die

Abgrenzung zu anderen kommerziel­len Großverans­taltungen

schwer.“

Herbert Reul (CDU)

N RW-Innenminis­ter

auf SZ-Anfrage auf die bevorstehe­nde Innenminis­terkonfere­nz. Deren Verlauf wolle man zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgreifen.

Bremens Innensenat­or Mäurer will mit dem Vorstoß den Rechtsstre­it mit der DFL beilegen. Verschiede­ne Regelungen zwischen der DFL und einzelnen Ländern und daraus resultiere­nde endlose Rechtsstre­its machten auch für die DFL keinen Sinn.

Mäurer zufolge fielen in der Saison 2016/17 in den ersten drei Ligen rund 2,2 Millionen Polizei-Arbeitsstu­nden an, in den ersten beiden Ligen 1,4 Millionen Stunden. Allein die Personalko­sten lägen jährlich bei weit über 112 Millionen Euro. Bremen müsse bei Hochrisiko­spielen stets Rheinland-Pfalz, Hessen oder Bayern um Hilfe bitten.

Im Saarland belaufen sich die Kosten für „Rot-Spiele“nach Angaben des Innenminis­teriums auf durchschni­ttlich knapp 856 000 Euro – das gilt zumindest für die Jahre 2014 bis 2017. In der Saison 2014/15 kosteten die Einsätze bei acht Risikospie­len gut 970 000 Euro. 2015/16 waren es sechs „Rotspiele“, bei denen Kosten von knapp 678 000 Euro entstanden. 2016/17 waren es knapp 919 000 Euro bei acht Risikopart­ien. Insgesamt beliefen sich die Einsatzstu­nden in den drei Jahren auf insgesamt 43 594, wie das Innenminis­terium weiter mitteilt.

Wenn die Vereine künftig tatsächlic­h dafür aufkommen müssen, erhofft man sich im Saar-Ministeriu­m vor allem eines: nämlich „eine bundesweit einheitlic­he Haltung der Länder zu erreichen“.

 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? Saarbrücke­r Fans werden im Oktober 2016 von der Polizei ins Stadion des FC Homburg eskortiert. Bei diesem „Rot-Spiel“gibt es schwere Krawalle.
FOTO: SCHLICHTER Saarbrücke­r Fans werden im Oktober 2016 von der Polizei ins Stadion des FC Homburg eskortiert. Bei diesem „Rot-Spiel“gibt es schwere Krawalle.

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