Abtreibung: SPD riskiert Koalition
Die Genossen setzen dem Koalitionspartner eine Frist für eine Strafrechtsreform.
(SZ) Im Streit mit der Union über das Werbeverbot für Abtreibungen (Paragraf 219a) geht die SPD aufs Ganze: Sollte es bis Herbst keinen Kompromiss geben, strebe man eine Bundestags-Abstimmung ohne Fraktionszwang über die Liberalisierung oder Abschaffung an – also ohne Rücksicht auf die Groko. Das beschloss der Parteivorstand.
Im Streit über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche erhöht die SPD den Druck auf die Union. Der Parteivorstand beschloss am Sonntag nach dem Bundesparteitag in Wiesbaden eine Frist bis Herbst, wie das Gremium gestern mitteilte. Wenn bis dahin kein Kompromiss in der Bundesregierung oder zwischen den Fraktionen zum Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a gefunden sei, wolle man mit „reformwilligen“Fraktionen oder Abgeordneten gemeinsame Sache machen. Eine Änderung der umstrittenen Regelung für Ärzte solle dann etwa über eine Bundestagsabstimmung ohne Fraktionszwang erreicht werden.
Paragraf 219a verbietet es, für Abtreibungen zu werben. Gegner der Regelung argumentieren, dass auch sachliche Informationen verhindert würden. Ein „freier Zugang zu sachlichen medizinischen Informationen“sei für die SPD „nicht verhandelbar“, hieß es.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält dafür eine Reform des Strafrechtsparagrafen indes nicht für notwendig: „Wir wollen, dass Frauen in einer schwierigen Konfliktsituation sich gut informieren können. Dieses Ziel ist aus meiner Sicht umfänglich ohne eine Änderung des 219a zu erreichen“, sagte Spahn der „Bild“.
Die SPD im Bundestag hat dazu bereits einen Antrag vorgelegt. Um die große Koalition nicht zu gefährden, lässt sie darüber aber bisher nicht abstimmen. Stattdessen hat die Bundesregierung angekündigt, eine Lösung zu suchen. Auch Linke, FDP und Grüne sind für eine Reform – damit wäre eine Mehrheit im Parlament wahrscheinlich. In der Union gibt es dagegen Vorbehalte.
Hintergrund des Streits ist die Verurteilung einer Ärztin aus Gießen, die auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. In einem offenen Brief forderten gestern auch 26 Verbände und Initiativen die große Koalition auf, den Paragrafen abzuschaffen. Er schränke den Zugang zu wichtigen Informationen ein und schaffe Rechtsunsicherheit für Ärzte, kritisierte der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo), Wolfgang Stadler. FDP und Grüne bekräftigten ihre Forderung nach einer Rechtsreform. Die SPD müsse „jetzt endlich in Regierungsverantwortung handeln“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte, die Union dürfe dieses wichtige Thema nicht auf die lange Bank schieben.