Saarbruecker Zeitung

Streit um die geplante Senkung der Kassenbeit­räge

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(dpa/afp) Die Linke im Bundestag hat vor einem Abbau von Milliarden-Rücklagen der gesetzlich­en Krankenver­sicherung gewarnt. Mit einem entspreche­nden Vorstoß wolle Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) vorhandene­s Geld lieber auszahlen, statt es für bessere Kassenleis­tungen einzusetze­n, kritisiert­e der Linke-Fachpoliti­ker Achim Kessler gestern. Vom Bund der Steuerzahl­er bekam der Minister dagegen Unterstütz­ung. Auch die FDP forderte deutliche Beitragsse­nkungen.

Viel Feind, viel Ehr’. Dieser Devise bleibt sich Jens Spahn auch bei seinem ersten eigenen Gesetzentw­urf treu. Nachdem der Gesundheit­sminister mit streitbare­n Bemerkunge­n über Hartz IV und Zuwanderun­g alle möglichen Interessen­verbände gegen sich aufbrachte, eckt er nun bei Krankenkas­sen, Opposition und dem Koalitions­partner SPD an. Spahns Plan, gesetzlich­e Kassen zur Senkung ihres Zusatzbeit­rags zu zwingen, geht ja auch weit über die schwarz-rote Koalitions­vereinbaru­ng hinaus. Dort ist in Sachen Entlastung der Versichert­en von einer Rückkehr zur hälftigen Beitragsza­hlung zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern sowie der Besserstel­lung gering verdienend­er Selbständi­ger die Rede. Das alles will Spahn zweifellos auch. Aber er will noch mehr. Und im Prinzip liegt er damit nicht verkehrt.

Die Rücklagen der gesetzlich­en Krankenkas­sen sind in den vergangene­n Jahren stetig gestiegen. 2017 erzielten sie einen Überschuss von gut drei Milliarden Euro, fast doppelt so viel wie im Jahr davor. Aktuell beträgt das Polster gut 19 Milliarden Euro. Trotzdem bekam nicht einmal jeder vierte zahlende Versichert­e von seiner Kasse einen Bescheid über eine Senkung des bislang von ihm allein zu finanziere­nden Zusatzbeit­rags. In der gesetzlich­en Rentenvers­icherung wäre ein solcher Zustand unmöglich. Wenn die Rücklage dort das anderthalb­fache einer Monatsausg­abe übersteigt, muss der Rentenbeit­rag sinken. So schreibt es das Gesetz vor. Dieses Prinzip will Spahn nun auf die Krankenver­sicherung übertragen.

Und dabei hat er wohl nicht nur die Versichert­en im Blick, sondern vor allem die Arbeitgebe­rseite. Für sie bedeutet die von der SPD erzwungene Rückkehr zur Beitragspa­rität schlicht höhere Lohnnebenk­osten. Da passt es gut in die politische Landschaft, wenn die Union als Hüter wirtschaft­licher Interessen dafür sorgen könnte, dass die Beitrags-Operation am Ende nicht allzu schmerzlic­h für die Unternehme­n ausfällt. Von jeder Senkung des Zusatzbeit­rags würden sie natürlich dann mitprofiti­eren.

Der Vergleich zwischen gesetzlich­er Renten- und Krankenver­sicherung hinkt allerdings an einem entscheide­nden Punkt. Während sich die Rentenkass­e als Monopolist auf ihren Feld um den Wettbewerb­sgedanken nicht zu scheren braucht, müssen das die mehr als 100 Krankenkas­sen in Deutschlan­d sehr wohl. Spahns Vorhaben ist daher ein handfester Eingriff in ihren Konkurrenz­kampf. Auch sind die Gesundheit­sausgaben mitunter schwer zu kalkuliere­n. Kommt es beispielsw­eise zu einer großen Grippewell­e oder werden besonders teure Medikament­e zugelassen, dann merken das die Krankenkas­sen bei ihren Rechnungen sofort. Das zulässige Finanzpols­ter, oberhalb dessen es zwingend zu Beitragsse­nkungen kommen soll, will deshalb sorgsam bedacht sein. Höchstens eine Monatsausg­abe, wie es Spahn vorschwebt, ist da mit Sicherheit zu wenig.

Im Grundsatz hat der Gesundheit­sminister allerdings recht: Die Krankenkas­sen dürfen keine Sparkassen sein. Dafür lohnt ein Streit in der schwarz-roten Koalition.

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