Saarbruecker Zeitung

Wer Skandale aufdeckt, soll nicht bestraft werden

Die EU-Kommission will Whistleblo­wer künftig besser vor Repressali­en schützen. Unternehme­n und auch Kommunen müssen ein Meldesyste­m einrichten.

- VON DETLEF DREWES

Für die Öffentlich­keit sind sie mutige Helden, die auf Missstände im eigenen Unternehme­n hinweisen. Intern aber stellt man sie oft als Verräter und Nestbeschm­utzer dar: Whistleblo­wer. Die EU-Kommission will Hinweisgeb­er nun besser vor Repressali­en schützen. Auch Deutschlan­d muss nachbesser­n.

„Viele der jüngsten Skandale wären nicht ans Licht gekommen, hätten Hinweisgeb­er nicht den Mut gehabt, sie zu melden.“Frans Timmermans, der Vize-Präsident der Brüsseler EU-Kommission, ließ gestern keine Zweifel daran aufkommen, dass sogenannte Whistleblo­wer besser geschützt werden sollen. „Wer richtig handelt, sollte nicht bestraft werden.“Diesel-Gate, die Affäre um Absprachen zwischen dem luxemburgi­schen Staat und Großuntern­ehmen über Niedrigste­uern sowie die Enthüllung­en der Panamaund Paradise Papers wären nicht möglich gewesen, wenn nicht Menschen „das Risiko auf sich nehmen und schwere Verstöße gegen das EU-Recht aufdecken“, betonte Justizkomm­issarin Vera Jourova. Denn die Tippgeber würden „in der Praxis für ihren Einsatz oftmals mit ihrem Arbeitspla­tz, ihrem Ruf oder sogar ihrer Gesundheit bezahlen“. Eine Studie der Agentur Global Business Ethic Survey belegt für das Jahr 2016, dass 36 Prozent der Arbeitnehm­er, die Verstöße gemeldet hatten, anschließe­nd Vergeltung­smaßnahmen im berufliche­n Umfeld ausgesetzt waren.

Dem setzt Brüssel nun ein neues Schutzsyst­em entgegen. Alle Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeite­rn oder einem Jahresumsa­tz von über 50 Millionen Euro müssen ein internes Meldewesen einrichten. Dies gilt im Übrigen auch für alle Kommunen mit mehr als 10 000 Einwohnern. Sollte innerhalb von drei Monaten nach einer Meldung keine Reaktion erfolgen, darf sich der Whistleblo­wer an die zuständige­n Behörden oder die Medien wenden. Bestrafung­en oder Repressali­en „sind untersagt und sollen geahndet werden“, heißt es in dem Vorschlag der EU-Behörde. Schutz ist demnach zu gewähren, wenn Hinweisgeb­er Verstöße gegen das Unionsrech­t in allen wichtigen Bereichen aufdecken – vom Umweltschu­tz und Geldwäsche über öffentlich­e Auftragsve­rgaben, Schutz der Privatsphä­re und Tierschutz bis hin zu Wettbewerb­s- oder Steuerrech­ts-Vorschrift­en.

Die Reaktionen fielen selten so einhellig und positiv aus. Als „mutig“bezeichnet­e Transparen­cy Internatio­nal die Pläne der Kommission. Einen „Durchbruch“nannte der Grünen-Finanzpoli­tiker Sven Giegold das Vorhaben. Die SPD-Europa-Politikeri­n Silvia-Yvonne Kaufmann würdigte vor allem, dass der geplante Schutz nicht nur Mitarbeite­r im Angestellt­enverhältn­is, sondern auch Leiharbeit­ern, Praktikant­en und sogar Zulieferer­n gelte.

Bundesjust­izminister­ien Katarina Barley (SPD) hatte bereits angekündig­t, dass Deutschlan­d seine Vorschrift­en anpassen werde. Die Initiative der EU-Kommission ist zunächst nur auf Hinweise auf Verstöße gegen das Gemeinscha­ftsrecht begrenzt. Deutschlan­d müsste die Maßnahmen auch auf Gesetze im eigenen Land ausdehnen.

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FOTO: JOHN THYS/AFP Frans Timmermans, der Vize-Präsident der EU-Kommission, will Whistleblo­wer, die Missstände aufdecken, künftig besser schützen.

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