Berlins Mitte in neuem Gleichgewicht
Das Herz der Hauptstadt mit den weltberühmten Museen und dem wiederaufgebauten Stadtschloss pulsiert, auch wenn noch Jahre gebaut wird.
Oder den fast fertigen Flughafen BER (statt jetzt erst 2020 eröffnet) – kostet auch . . . ach nein, dafür bekäme man schon zwei Stadtschlösser. Für die gesamten BER-Mehrkosten wären schon mehr als zehn Stadtschlösser drin.
In diesem Vergleich mutet der Schlossneubau an wie ein Wunder. Alles ist im Zeit- und im Kostenplan. Klar, die Gesamtkosten sind auch hier von 530 auf 610 Millionen Euro gestiegen. Aber nur, weil am Anfang alles auf Stopp gestellt und der Bau – finanzkrisenbedingt – erst mit jahrelanger Verspätung in Angriff genommen werden durfte. Und weil Wünsche hinzukamen. Der ambitionierte Förderverein, der über Jahrzehnte auf die Errichtung des Schlosses mit Wiederherstellung von drei Original-Fassaden gedrungen hatte, hatte sich selbst verpflichtet, 80 Millionen Euro dafür aus privaten Taschen aufzutreiben. Nun stehen auf der Spendenuhr der Einnahmen exakt diese 80 Millionen. Dass doch noch 25 Millionen fehlen, liegt daran, dass beim Bauen Appetit auf ein noch schöneres Äußeres kam: Die Kuppel ist schon weithin sichtbar, gerade kam das Kupfer drauf, dann die Laterne und das goldene Kreuz.
Berlin wäre nicht das rot-rot-grün regierte, mehrheitlich atheistisch geprägte Konstrukt, hätte es um das Kreuz nicht eine erbitterte politische Auseinandersetzung gegeben. Bis in den Senat hinein wurde das christliche Symbol ausgerechnet auf einem Kulturzentrum des weltweiten kulturellen Austausches vehement abgelehnt. Die Stiftung als Bauherr argumentierte mit der Historie und dem preisgekrönten Konzept originalgetreuer Wiederherstellung nach Norden, Süden und Westen und modernem Stil nach Osten und im Innern. Die Kirchen verwiesen auf das Kreuz als Zeichen der Versöhnung. So wird es nun kommen.
Wer den leergeräumten Platz 2013 betrat und die Umgebung auf sich wirken ließ, der konnte genau spüren, dass sowohl die Achsen der Stadt als auch das Barockband der bestehenden Bauten das Schloss schmerzlich vermissten. Wer fünf Jahre später das im Wesentlichen fertige Schloss betritt, bei dem in Kürze die Baugerüste fallen werden und der Blick auf die wiederhergestellten Fassaden frei wird, der kann fühlen, wie die Mitte von Deutschlands größter Metropole ein neues Gleichgewicht findet.
Zwar wird das fertige Humboldtforum erst Ende nächsten Jahres eröffnet. Aber schon in diesem Jahr ziehen die Südseeboote und Palau-Häuser aus dem Ethnologischen Museum mit vielen Tausend weiteren Exponaten ein. Sie lassen ahnen, welch multikultureller Gewinn für ein Millionenpublikum hier zu erwarten ist. Das Schloss als notwendiger Abschluss und logische Ergänzung der Museumsinsel wird Schauplatz Tausender Veranstaltungen sein, die die Welt im Mikrokosmos von Kunst und Wissenschaft immer neu und immer anders erfahrbar machen.
Die Stadt, die nach den über 100 Jahre alten Worten des Kunstkritikers Karl Scheffler dazu verdammt ist, „immerfort zu werden und niemals zu sein“, erlebt das Werden auch in der kulturellen Mitte mit Etappen-Charakter. Der neue zentrale Zugang zu den Weltkulturerbe-Museen verzögert sich auf 2019, die neue U-Bahn-Station der Museumsinsel eröffnet wohl nicht vor Ende 2020, das Pergamon-Museum dürfte mindestens bis 2023 eine Baustelle sein. Und auch das Humboldtforum selbst lässt Erneuerungsbedarf schon vor dem Start erkennen, um die Präsentation der Sammlungen wird diskutiert. Und dass auf Dauer Zehntausende von Fahrzeugen das Flanieren von Millionen Kulturbegeisterten zwischen Schloss und Lustgarten-Museen unterbrechen sollen, dürfte nicht das letzte Wort der Berliner Stadtplanung sein.