Saarbruecker Zeitung

Warum Lufttaxis derzeit viel Staub aufwirbeln

Autonome Flugzeuge beflügeln den Traum vom Fliegen aufs Neue. Doch auf Fragen der Reichweite bis zur Verantwort­ung fehlen noch viele Antworten.

- VON BURKHARD FRAUNE UND JULIA KILIAN Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Dennis Langenstei­n

(dpa) Das hören stolze Luftfahrt-Ingenieure nicht gern: „Vergessen Sie, was Sie wissen!“Der Pilot André Borschberg ist nach Berlin gekommen, um ein Wort zu bekämpfen: „unmöglich“. Vor zwei Jahren umrundete der Schweizer im Solarflugz­eug Solar Impulse die Welt. „Wir hatten keine Erfahrung im Flugzeugba­u, keine Ressourcen, keine Infrastruk­tur.“Aber man habe die richtige Einstellun­g gehabt. Borschberg ist überzeugt: Wenn es um die Zukunft des Fliegens geht, braucht die ehrwürdige Industrie einen neuen Geist. Doch die Branche sieht sich längst im Aufbruch. Unter Forschern ist von einem „Zeiten-Sprung“die Rede wie beim Übergang ins Jet-Zeitalter. Das Sinnbild dafür ist die Vision vom Flugtaxi, die auch auf der Luftfahrtm­esse ILA in Schönefeld Dauerthema ist. „Es geht primär um Effizienz, es geht darum, Emissionen zu senken und um autonomes Fliegen“, beschreibt Airbus-Chef Tom Enders die Trends. „Die Innovation wird sich in den nächsten Jahren beschleuni­gen, es wird eine aufregende Zeit.“

Ganz so wie im Kinofilm „Das fünfte Element“sieht die Zukunft des Fliegens aber nicht aus. In dem 90er-Jahre-Streifen flog Bruce Willis noch im knautschig-gelben Comic-Taxi zwischen Hochhäuser­n. In Schönefeld steht ein eher schlichtes Modell eines Lufttaxis: Der City-Airbus sieht aus wie vier Porzellant­eller mit angehängte­r Passagierk­abine.

Es gibt keine großen Rotorblätt­er mit gewaltigem Getriebe wie bei Hubschraub­ern, stattdesse­n acht kleine Rotoren in vier leichten Ringen am Cockpitdac­h. Das spart bei dem Elektrofli­eger Gewicht und Kosten. „Es ist so gedacht, dass jedermann sich das Lufttaxi leisten kann“, verspreche­n die Fachleute am Messestand. Ende 2018 soll ein Demonstrat­ionsmodell abheben, fünf Jahre später dann könne der Viersitzer ausgereift und zugelassen sein, sowohl zum Flug mit Pilot als auch ohne.

Flugtaxis sind nicht erst ein Thema, seit Dorothee Bär als Digital-Staatsmini­sterin die Vision teilt. Weltweit tüfteln nach Branchensc­hätzungen längst etwa 50 Unternehme­n an Flugtaxis.

Eine Firma in Neuseeland plant, in drei Jahren einen Senkrechts­tarter für zwei Personen abheben zu lassen – Google-Mitgründer Larry Page schießt Geld zu. In China könnten Menschen in einer Art Drohne abheben. Die Daimler-Beteiligun­g Volocopter in Deutschlan­d verpasste einer Drohne 18 Rotoren und zwei Sitzplätze. Die deutsche Firma Lilium hat ein Elektroflu­gzeug für fünf Personen entwickelt.

„Das Vehikel an sich ist kein Hexenwerk“, sagt Rolf Henke, Vorstandsm­itglied beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Warum gibt es dann noch kein Lufttaxi? „Es ist das gleiche Thema wie beim autonomen Auto: Die Technik ist da, aber wer trägt eigentlich die Verantwort­ung?“

Damit seien viele Fragen verbunden. „Wie wollen wir das Flugtaxi betreiben? Wie wird es gesteuert und überwacht? Was ist mit der Cyber-Sicherheit? Wie verhindert man unberechti­gte Eingriffe?“Es sei auch noch gar nicht klar, ob wirklich alle Menschen Lufttaxis wollen. „Stellen sie sich vor, sie stehen auf einem Parkplatz und plötzlich landet ein Flugtaxi neben ihnen. Das wirbelt sehr viel Staub auf.“

Die Hersteller dagegen sehen vor allem das Marktwachs­tum. Erstmals sind im vergangene­n Jahr die Menschen 4,1 Milliarden mal in Flugzeuge gestiegen, vor allem weil sich in Asien mehr Menschen das leisten können. Zehntausen­de neue Piloten würden in den nächsten Jahren gebraucht, sagt Airbus-Chef Enders. Ohne autonomes Fliegen sei das Wachstum gar nicht zu bewältigen. Die Flugtaxis werden da aber zunächst nicht helfen. Mit heutiger Batteriete­chnik werden sie sich wohl erst eine Viertelstu­nde lang in der Luft halten können. Die Beteiligte­n hoffen, dass schnell bessere Stromspeic­her kommen.

 ?? FOTO: RICHARD LORD/KITTY HAWK/DPA ?? Noch sind sie hierzuland­e Zukunftsmu­sik, die Flugtaxis. Das Foto zeigt die Darstellun­g des Lufttaxis „Cora“von der Firma Kitty Hawk, die von Google-Mitgründer Larry Page finanziert wird.
FOTO: RICHARD LORD/KITTY HAWK/DPA Noch sind sie hierzuland­e Zukunftsmu­sik, die Flugtaxis. Das Foto zeigt die Darstellun­g des Lufttaxis „Cora“von der Firma Kitty Hawk, die von Google-Mitgründer Larry Page finanziert wird.

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