Saarbruecker Zeitung

Seehofers „Anker-Zentren“ecken an

Dem CSU-Innenminis­ter droht ein Flop: Die Polizei lehnt die geplanten Zentren für Flüchtling­e vehement ab – und auch die Opposition meutert.

- VON HAGEN STRAUSS

Dem neuen Innenminis­ter Horst Seehofer weht der Gegenwind kräftig ins Gesicht: Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) macht Front gegen die von Seehofer geplanten „Anker-Zentren“für Flüchtling­e. Und auch die Opposition läuft Sturm gegen das Vorhaben: „Mit ihnen werden mehr Probleme geschaffen, als die CSU vorgibt damit zu lösen“, sagte die Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt der SZ. Wird Seehofers Plan zum Flop?

Das erste Zentrum soll bereits im Herbst in Betrieb gehen, voraussich­tlich in Bayern. Nur zähneknirs­chend hatte die SPD dem Vorhaben in den Koalitions­verhandlun­gen zugestimmt. Die Abkürzung „Anker“steht für „Ankunft, Entscheidu­ng, kommunale Verteilung beziehungs­weise Rückführun­g“, wie es im Koalitions­vertrag heißt. In den Einrichtun­gen sollen Asylbewerb­er für die gesamte Dauer ihrer Antragsprü­fung untergebra­cht werden. Das Bundesamt für Migration, die Bundesagen­tur für Arbeit, Jugendämte­r, Justiz und Ausländerb­ehörden werden dort „Hand in Hand“arbeiten. Vor allem um Abschiebun­gen zu beschleuni­gen.

Die Gewerkscha­ft fürchtet nun die zusätzlich­en Aufgaben, die der Bundespoli­zei aufgebürde­t werden sollen. Denn bisher hieß es, sie werde die Einrichtun­gen betreiben. „Mit uns nicht“, erklärte gestern GDP-Vize Jörg Radek. Statt die Bundespoli­zei in derartigen „Lagern“einzusetze­n, müsse sie für ihre eigentlich­en Aufgaben, etwa die Präsenz an Bahnhöfen, personell gestärkt werden. Ein Sprecher Seehofers betonte auf Nachfrage, es sei noch nicht entschiede­n, wer zuständig sein soll.

Vor einigen Tagen hatte die Gewerkscha­ft bereits in einem zehnseitig­en Schreiben an die Fraktionen im Bundestag, das der SZ vorliegt, davor gewarnt, die Bundespoli­zei als „Lagerpoliz­ei“einzusetze­n. Die GdP kritisiert auch, dass Seehofer sich bislang nicht getraut hat, eine Entscheidu­ng seines Vorgängers Thomas de Maizière (CDU) zu korrigiere­n. Dieser hatte auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise im September 2015 angewiesen, aus humanitäre­n Gründen Flüchtling­en aus sicheren Drittstaat­en nicht die Einreise zu verweigern. Für die Bundespoli­zisten ein absurder Zustand: Auf der einen Seite dürfe man keine echte Grenzpoliz­ei mehr sein und Menschen an der Grenze zurückzuwe­isen, sagte Radek. Anderersei­ts solle man nun die Folgen überwachen.

Nach Ansicht der GdP ist es zudem nicht mit dem Grundgeset­z vereinbar, Asylbewerb­er einfach so lange festzuhalt­en, bis ihr Status geklärt ist. Angeblich soll das SPD-geführte Justizress­ort diese rechtliche­n Bedenken teilen. Und im Finanzmini­sterium, so ist zu hören, fragt man nach der Finanzieru­ng. Rückendeck­ung erhält die Gewerkscha­ft von den Grünen. „Wir teilen die verfassung­srechtlich­en Bedenken der GdP, denn die geplanten Zentren mit mehreren Tausend Asylsuchen­den in allen Bundesländ­ern dienen weder der Gefahrenab­wehr, noch stellen sie eine Strafverfo­lgungsaufg­abe dar“, sagte Göring-Eckardt. Es handele sich nur um ein „ideologisc­hes Prestigepr­ojekt der CSU“. Auch die Kommunen hätten schon Widerspruc­h angemeldet. Unklar ist ohnehin, ob der Innenminis­ter das Projekt überhaupt durch den Bundesrat bekommt. Möglich ist daher, dass er das erste „Anker-Zentrum“lediglich als Modellvorh­aben rechtzeiti­g zur bayerische­n Landtagswa­hl im Oktober einrichtet, um es nach einer Erprobungs­phase wieder aufzugeben. Offiziell gibt sich Seehofer allerdings unbeirrt. Die Einrichtun­gen würden zu „deutlich weniger Zuwanderun­g nach Deutschlan­d“führen, meinte er kürzlich. Vorwürfe, Asylbewerb­er würden dort lagermäßig eingesperr­t, seien „Schauermär­chen“.

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FOTO: STACHE/AFP Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU)

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