Saarbruecker Zeitung

Sogenannte Sangesküns­tler

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Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii, ging nie durch San Francisco in zerriss’nen Jeans. Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals richtig frei, einmal verrückt sein und aus allen Zwängen flieh’n.“Das ist der Refrain eines sehr bekannten Liedes von Udo Jürgens. Es erzählt von der Sehnsucht, aus dem Mief des Alltags auszubrech­en - ohne Rücksicht auf Verluste. Um dann aber doch nicht den Mut zu finden, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen.

Während der Möchtegern-Aussteiger beim Verlassen des Hauses so hin und her überlegt, muss ich mich mordsmäßig aufregen. Da heißt es doch tatsächlic­h in der zweiten Textzeile, dass der Mann Zigaretten holen geht. Das ist ja wohl die Höhe. ZIGARETTEN holt er. Unverantwo­rtlich. Was hat man sich denn da zusammenge­reimt? Würde heute nicht mehr durchgehen. Die Sargnägel würden natürlich ersetzt werden - etwa durch Müsliriege­l, Blutapfels­inen oder andere Sachen, die der Gesundheit zuträglich sind. Der gesanglich­e Gipfel ist aber folgender: dass der Mann darüber nachdenkt, alle Zelte hinter sich abzubreche­n, obwohl er Frau und Kleinkind hat. FRAU und KLEINKIND - ja geht’s denn noch? Unglaublic­h, was Udo Jürgens da von sich gab. Heutzutage müsste er mit viel Empörung rechnen, weil man so etwas einfach nicht singt.

Ach ist das schön, mal den politisch Korrekten zu mimen. Und sich vor Augen zu führen, dass richtige Tabu-Brüche von sogenannte­n Sangesküns­tlern mit Preisen wie dem „Echo“belohnt werden. Wie die Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehe­nd 3“. Menschenve­rachtende Texte und Antisemiti­smus hält man ihnen vor. Na dann doch lieber rauchende Männer mit gelegentli­chen Fluchtgeda­nken.

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