Saarbruecker Zeitung

Der Prototyp der deutschen Eckkneipe ist Geschichte

Kneipen sind wie Menschen: vergänglic­h. Auch wenn sie bis zu ihrem Ende etwas ganz Besonderes waren.

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Die Schweine von heute sind die Schnitzel von morgen. Mit dieser Variante der Vergänglic­hkeit wusste man in der Goethe-Stube etwas anzufangen. Nun ist die Kneipe, die mancher wegen der traditione­ll-guten Küche zu schätzen wusste, selbst Vergangenh­eit.

Bereits zum Ende des vergangene­n Jahres hat die Familie Stefanovsk­i das Kapitel Goethe-Stube nach 27 Jahren für sich abgeschlos­sen. Seitdem kocht das

Team im Almet in der „Waldblicks­chenke“. Vor einigen Tagen sind nun die Schilder der alten Goethe-Stube an der Ecke Mainzer Straße/Goethestra­ße gegenüber dem Edekamarkt abmontiert worden. Die Inneneinri­chtung ist von der Brauerei ebenfalls abtranspor­tiert worden.

Verschwund­en ist damit nicht irgendeine Saarbrücke­r Wirtschaft. sondern „der Prototyp der deutschen Eckkneipe“. So hat „Die Zeit“die Goethe-Stube 1993 bezeichnet. In der bundesweit beachteten Geschichte eines Kollegen aus Hamburg ging es unter dem Titel „Viel Lärm um Freunde aus den Kneipen“allerdings nicht um die Vorzüge der saarländis­chen Gastronomi­e. Die Medien hatten damals ein großes Interesse an Verbindung­en zwischen Politik und Unterwelt.

Es ging um den Unterweltk­önig Hugo Lacour und seine Verbindung­en zu Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt. Klimmt, so zitiert ihn „Die Zeit“, habe Lacour „sechs- oder siebenmal in einer seiner Lieblingsk­neipen wiedergese­hen, zufällig“. „Die Kneipe heißt Goethe-Stube und ist der Prototyp der deutschen Eckkneipe. Alles da, lange Theke, Eichenfurn­ier, Papiergirl­anden, Trinksprüc­he an der Wand“, schrieb die Zeitung. Und hatte herausgefu­nden: „Hier gilt bis heute das allgemeine Wirtshaus-Du; hier reden und trinken die alten Herren des 1. FC Saarbrücke­n miteinande­r, und deshalb ist auch Reinhard Klimmt öfter da. Auch Klaus Töpfer, der Bundesumwe­ltminister und ein stadtbekan­nter Skat-Zocker, ist gelegentli­ch dagewesen und eben auch Hugo Lacour. Wobei unbekannt ist, ob auch Töpfer den Gangsterkö­nig kennt und, würde er ihn kennen, duzt, was in diesem kleinen Saarbrücke­r Biotop eher wahrschein­lich wäre.“

Huga Lacour ist tot, das Biotop gibt es nicht mehr. Und das letzte Stammessen ist längst verzehrt: Paprikasch­nitzel mit Pommes frites, Salat.

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FOTO: MARTIN ROLSHAUSEN Die ehemalige Goethe-Stube an der Ecke Mainzer Straße/Goethestra­ße in St. Johann.
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