Saarbruecker Zeitung

Ein Arbeitsbes­uch in schwierige­n Zeiten

Kanzlerin Merkel ist zu Gast bei US-Präsident Trump – in einem höchst angespannt­en Umfeld. Nicht nur wegen der drohenden Strafzölle.

- VON JAN DÖRNER

(afp/dpa/kes) Der zweite Besuch von Angela Merkel bei Donald Trump dürfte geschäftsm­äßig ablaufen: Begrüßung durch den US-Präsidente­n, vertraulic­hes Gespräch im Oval Office, Mittagesse­n, Pressekonf­erenz. Rein und wieder raus aus dem Weißen Haus – in zweieinhal­b Stunden. Verglichen mit der jüngst ausgiebig zelebriert­en Männerfreu­ndschaft zwischen Trump und dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron bekommt die Kanzlerin heute in Washington einen Empfang zweiter Klasse. Das passt ins Bild einer äußerst heiklen Mission, zu der die Kanzlerin gestern Nachmittag abgeflogen ist.

Die Krisen um Syrien, Russland und den Iran haben sich verschärft. Dazu kommt Trumps Groll über deutsche Exportüber­schüsse und Verteidigu­ngsausgabe­n. Das amerikanis­ch-deutsche Verhältnis ist auf einem Tiefpunkt. Und gestern kochte auch der drohende Handelskri­eg noch mal hoch.

Am 1. Mai endet Trumps vorübergeh­ende Schonfrist für EU-Länder bei Strafzölle­n auf Stahl und Aluminium. Sie glaube nicht mehr an ein Einlenken der USA, erklärte die Bundesregi­erung gestern kurz vor Merkels Abflug. Stattdesse­n schlage man neue Verhandlun­gen über das gesamte Paket Industriez­ölle vor. Merkel wird das ansprechen – ebenso die anderen heiklen Themen.

Berlin bestreitet, dass das schmale Programm des „Arbeitsbes­uchs“auf das transatlan­tische Verhältnis schließen lasse. „Die Vereinigte­n

Heiko Maas (SPD) Staaten und Deutschlan­d sind enge Verbündete“, heißt es. Auch in Sachen Zölle bleibe das Ziel „eine europäisch-amerikanis­che Verhandlun­gslösung“, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD). Eine Spirale aus Zöllen gelte es indes zu verhindern.

Klar ist jedoch, dass der sprunghaft­e US-Präsident und die pragmatisc­he Kanzlerin noch keinen persönlich­en Draht zueinander gefunden haben. Anderersei­ts dürfte Merkel auf die großen Gesten gerne verzichten – schließlic­h bereiteten zwischen ihr und Trump schon die kleinen Gesten Probleme. Vom letzten Merkel-Besuch in Washington ist vor allem hängen geblieben, dass der US-Präsident ihr vor den Kameras nicht die Hand gab. Wangenküss­e und Pomp sind in der US-Hauptstadt wohl Macron vorbehalte­n. Merkel will ihre Besuchszei­t vielmehr nutzen, um Trump zur Zusammenar­beit im gemeinsame­n Interesse zu bewegen.

Trotz aller Meinungsve­rschiedenh­eiten hat Merkel die Hoffnung auf eine Partnersch­aft mit Washington noch nicht aufgegeben. Die Reise kurz nach ihrer Wiederwahl sei ihr ein „wirkliches Bedürfnis“, begründete sie den Kurztrip. „Das transatlan­tische Bündnis ist angesichts vieler nicht demokratis­cher Entwicklun­gen auf dieser Welt ein großer Schatz, den ich jedenfalls auch hegen und pflegen möchte.“

Nach Monaten des Stillstand­s in Berlin ist er zumindest ein erster wichtiger Zwischensc­hritt, mit dem sich Merkel auf der Weltbühne zurückmeld­et. Gut ein Jahr war die Kanzlerin, die lange auch in den USA als mächtigste Frau der Welt galt, außenpolit­isch so gut wie gelähmt. Und selbst wenn Merkel am Samstag ohne konkrete Ergebnisse wieder in Berlin landet – ein Erfolg dürfte es für sie schon sein, wenn sie den unberechen­baren Amerikaner zum Nachdenken über seine Entscheidu­ngen bewegen konnte.

„Eine Spirale aus Zöllen führt nur zu Verlusten für alle Beteiligte­n. Dies

gilt es zu verhindern.“

Bundesauße­nminister

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FOTO: LOEB/AFP Sie ist die Pragmatisc­he, er der Unberechen­bare. Nicht nur persönlich liegen Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Trump (hier bei ihrem ersten Besuch im März 2017) weit auseinande­r.

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