Senioren packen den Knüppel aus
Ältere Menschen mit Krückstock sind für Räuber ein vermeintlich leichtes Opfer. Das könnte sich ändern: In Kursen lernen Senioren nun, zurückzuschlagen.
nicht mit mir.“Noch brauche sie keine Gehhilfe. „Wenn ich noch älter werde und vielleicht ängstlicher, dann würde ich schon so einen Gehstock mitnehmen.“
Und wie verteidigt man sich mit Krückstock? Ganz einfach: Schlagen und Stechen. Vor allem diese Techniken lernen die Teilnehmer am ersten der drei Kurstage im „Treffpunkt 50plus“. Ein Polster dient als imaginärer Gegner und muss ordentlich einstecken: unter anderem Schläge auf Kopf, Schulter und Knie. Knöcherne Strukturen sind besonders schmerzhafte Ziele, wie Fitzner erklärt. Auch in Unterleib, Bauch und Gesicht wird gestoßen. Mit lautem Rufen: „Gehen Sie weg!“Denn der Krückstock ist nur das letzte Mittel, betont Fitzner, der schon als Kind Selbstverteidigung gemacht hat. „Unser Ziel ist es nicht, den anderen kaputtzumachen, sondern heil wegzukommen“, erklärt er. „Kämpfe sind immer hochgefährlich. Wir dürfen nicht denken, wir haben einen Kurs gemacht und jetzt sind wir gut.“Auch eine betagte Teilnehmerin ist skeptisch: „Ob das im Ernstfall reicht?“, sagt sie nach einem zaghaften Schlag auf das Polster. Tatsächlich gibt es durchaus Menschen, die Räuber mit einem Stock buchstäblich in die Flucht schlagen konnten. In Berlin schlug jüngst eine 56-Jährige mit Krücken um sich, als ihr jemand die Handtasche entreißen wollte – mit Erfolg. Und in Stuttgart verjagte eine Dame einen Räuber mit ihrer Gehhilfe, wie eine Teilnehmerin des Kurses in der Zeitung gelesen hat. Die Frau habe dem Blatt erzählt, dass sie
„Unser Ziel ist es nicht, den anderen kaputtzumachen, sondern heil
wegzukommen.“
Trainer Jan Fitzner das in Fitzners „Cane-Fu“-Kurs gelernt habe.
Glaubt man der Internetrecherche und Fitzner selbst, ist er der Einzige, der solche Kurse hierzulande anbietet. In den USA gebe es aber Ähnliches, erzählt er. DVDs zur Selbstverteidigung für Senioren mit Stock oder Schirm gibt es im Netz reichlich. Ein einfacher Regenschirm gehe aber zu schnell zu Bruch, warnt Fitzner. Er empfiehlt „Sicherheitsschirme“mit Edelstahlspitze und Glasfaserstab. Tatsächlich gebe es bei der Selbstverteidigung mit Gehstock ein Problem: Senioren, die einen Stock bräuchten, könnten ohne ihn meist kaum noch laufen – und ihn daher nicht zum Kämpfen hochreißen. Wer dafür körperlich fit genug sei, habe im Ernstfall aber keinen Gehstock dabei. „Diese Lücke könnten ‚Sicherheitsschirme’ schließen.“
Ob der Kampf mit dem Gehstock dann das Richtige ist – da ist man sich bei Polizei und Landesseniorenrat unsicher. „Man muss es schon einzusetzen wissen. Es kann sein, dass einem der Angreifer den Stock wegnimmt und auf die Rübe schlägt“, sagt ein Polizeisprecher. Auch er betont, dass Kampf das letzte Mittel ein sollte: „Es ist wichtig, dass die Menschen auf sich aufmerksam machen und um Hilfe rufen.“Das sieht auch Birgit Faigle, Geschäftsführerin des Landesseniorenrats, so. „Ich weiß nicht, ob der Stock das richtige Mittel ist“, sagt sie. „So einen Stock kann man ja leicht packen und einen älteren Menschen dann umwerfen.“An sich sei es jedoch sinnvoll, sich auf brenzlige Situationen vorzubereiten.