Saarbruecker Zeitung

Das ist nur eine Sache der Sprache

- Johann Betz, St. Ingbert

Die Saarbrücke­r Zeitung zitiert den CDU-Abgeordnet­en Hermann Scharf folgenderm­aßen: „Bei Behinderun­gen von Kranken zu sprechen, ist einfach unwürdig, diese Kinder sind uns genauso viel wert wie die nichtbehin­derten Kinder.“Darf man dann im Umkehrschl­uss sagen, dass kranke Kinder dem Abgeordnet­en Scharf weniger wert sind als gesunde? Ich habe den Verdacht, dass hier im Sinne der Political Correctnes­s Sprachbere­inigung (Newspeak) betrieben werden soll. Dann haben die Politiker aber viel zu tun. Auch im Lehrplan Biologie, der dem Schulunter­richt im Saarland zugrunde liegt, ist von „Erbkrankhe­iten“die Rede, wenn genetische Defekte beschriebe­n werden. Und in den Standardle­hrbüchern für den Biologieun­terricht an Gymnasien wird das Down-Syndrom (= Trisomie 21) ebenfalls als „Erbkrankhe­it“bezeichnet (zum Beispiel Linder, 2010, Seite 180). Und den Paragraphe­n 218a, Absatz zwei, Strafgeset­zbuch (StGB) sollte die Politik dann meines Erachtens auch dringend reformiere­n, denn wenn das Down-Sydrom pränatal diagnostiz­iert wird, kommt es nach meiner Informatio­n in 90 Prozent aller Fälle zu einer Abtreibung (Quelle im Internet: www.spiegel.de). Dem Paragraphe­n 218 zufolge ist Abtreibung in diesem Fall straffrei, denn „[w]enn bei der Pränataldi­agnostik eine Behinderun­g oder schwere Krankheit des Kindes festgestel­lt wird, wird ein Schwangers­chaftsabbr­uch mit einer medizinisc­hen Indikation der Mutter begründet“(Quelle im Internet: www.profemina.org). Ich verstehe und begrüße zwar dieses Bemühen, auch Behinderte­n eine menschenwü­rdige Einglieder­ung in die Gesellscha­ft zukommen zu lassen, aber durch Sprachrege­lungen wird meiner Meinung nach keine neue Realität geschaffen.

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