Saarbruecker Zeitung

Weltweit wächst die Sorge um Pressefrei­heit

Heute, am 3. Mai, ist Tag der Pressefrei­heit. Kein Tag zum Feiern, sagen Experten. Denn Reporter werden bedrängt, verhaftet und getötet. Auch in Europa.

- VON ANDREAS LANDWEHR, THERESA MÜNCH UND FRAUKE SCHOLL

Der heutige Tag der Pressefrei­heit ist vielerorts kein Grund zum Feiern. Denn er dreht sich um die Arbeitsbed­ingungen von Journalist­en auf der Welt. Und die sind schlechter geworden, klagen Experten.

(dpa/SZ) Sie müssen sterben, weil sie kritische Fragen stellen. Eine Autobombe tötet eine 53-jährige Mutter; ein 27-Jähriger, der bald heiraten wollte, wird in seinem Haus erschossen. Zwei ermordete Reporter innerhalb von acht Monaten. Auf einem Kontinent, auf dem Regierungs­chefs Journalist­en als „Hyänen“beschimpfe­n und öffentlich-rechtliche Sender unter ihre Kontrolle bringen. Nicht irgendwo und irgendwann, in fernen Unrechtsst­aaten. Sondern 2017, mitten in Europa. Die Journalist­in Daphne Caruana Galizia wird im Oktober auf Malta ermordet, im Februar der Investigat­ivreporter Jan Kuciak in der Slowakei. In Ungarn, Tschechien oder Polen sind Politiker auf Anti-Medien-Kurs. „Die traditione­ll sicheren Bedingunge­n für Journalist­en in Europa beginnen, sich zu verschlech­tern“, stellen die Beobachter von Reporter ohne Grenzen fest. Deutlich schlechter ist die Lage anderswo auf der Welt. Noch immer.

An Einschränk­ungen, Zensur und Repression­en gegen Journalist­en auf der ganzen Welt erinnert der 3. Mai, der heutige Tag der Pressefrei­heit. Und eben auch an das, was neu ist. Dass Gefahren für Reporter nicht nur in Nordkorea und Turkmenist­an lauern, sondern auch in Europa – wenngleich europäisch­e Länder auch weiter an der Spitze der Weltkarte der Pressefrei­heit stehen.

180 Staaten sind es insgesamt, von Platz eins für Norwegen bis Platz 180 für Nordkorea. Jeder Staat ist einer Farbe zugeordnet für den Zustand seiner Presse-Verhältnis­se, von weiß (gute Lage) bis schwarz (sehr ernste Lage). Leuchtend weiß sind die skandinavi­schen Länder als Musterknab­en. Auf Norwegen folgt Schweden, Finnland liegt auf Platz vier. Die gewohnte Spitzenpos­ition der Skandinavi­er hängt mit viel Transparen­z zusammen, wie einer Auskunftsp­flicht für Behörden.

Weiße Flecken auf der Karte erhalten auch die Niederland­e (Platz 3), die Schweiz (Platz 5) und Deutschlan­d (Platz 15). Zwar macht die Bundesrepu­blik gegenüber 2016 einen Platz gut, allerdings sieht Reporter ohne Grenzen für 2017 auch hier „bedrohlich­e“Entwicklun­gen, von Übergriffe­n beim G20-Gipfel bis zum BND- oder Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz. Der Fall des deutsch-türkischen Reporters Deniz Yücel ist einer von vielen Gründen, warum die Türkei auf der Rangliste an Platz 157 in flammend rot erscheint (schwierige Lage).

Mehr als 150 Journalist­en sollen in der Türkei in Haft sitzen. Erst kürzlich wurden gegen Mitarbeite­r der Zeitung „Cumhuriyet“mehrjährig­e Haftstrafe­n verhängt, offiziell wegen Terrorismu­svorwürfen. Reporter ohne Grenzen spricht von einer „beispiello­sen Verfolgung kritischer Journalist­en“. Prominente­ster Fall ist der inzwischen frei gelassene „Welt“-Korrespond­ent Yücel, der wegen Terrorvorw­ürfen mehr als ein Jahr in türkischer U-Haft saß. Sein Schicksal wurde zum Symbol für den Kampf um Pressefrei­heit.

Größter Absteiger auf der weltweiten Rangliste ist auch ein Europäer: Malta, das sich innerhalb eines Jahres um 18 Plätze auf Rang 65 verschlech­terte. Grund ist der noch immer ungeklärte Mord an Daphne Galizia, die über Korruption und Geldwäsche berichtete. Verschlech­tert hat sich die Lage auch in Ungarn, Polen, der Slowakei und Tschechien, wo Regierunge­n ihren medienkrit­ischen Kurs verschärfe­n.

Während ermordete Journalist­en für Europa eher neu sind, sieht es in Mexiko anders aus. 13 Medienvert­reter wurden im vergangene­n Jahr getötet – so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. Dahinter dürften meist Drogenkart­elle und korrupte Politiker stecken. Auch um die Arbeitsbed­ingungen der Journalist­en ist es schlecht bestellt. Viele Medien werden von reichen Unternehme­rn kontrollie­rt. Ein roter Platz 147 für Mexiko. In der Nähe liegen auch Russland und Indien, Venezuela und Indonesien. Schwarz sind nach wie vor China, Kuba und Syrien, dazu weitere Krisenstaa­ten wie Sudan und autoritäre Regime wie Iran und Saudi-Arabien.

Verschlech­tert hat sich die Lage auch im Land des Donald Trump, von Platz 43 auf 45. Zwar gelten die USA als Mutterland der Redefreihe­it, doch ihrem Präsidente­n schmeckt sie nur bedingt. Bei jeder Gelegenhei­t prügelt Trump auf die Medien ein. Umfragen belegen: Mit seinem unablässig­en Getrommel vermeintli­cher Fake News hat er es geschafft, ihre Glaubwürdi­gkeit zu erschütter­n. Die Zeitungsbr­anche ist im Niedergang. Um die Pressefrei­heit ist es so bestellt, dass das Internatio­nal Press Institute und Reporter ohne Grenzen erstmals ernsthaft mahnten.

Erfolge gibt es auf der Karte aber auch. Nicht nur wegen weißer oder gelber Flecke, die (verhältnis­mäßig) unproblema­tisch sind. Sondern auch in Fällen wie Gambia, das als größter Aufsteiger rangiert. Das kleine westafrika­nische Land machte 21 Plätze gut, auf Rang 122. Immer noch in orange (erkennbare Probleme), aber die Macher der Karte sehen einen „rasanten Aufschwung“seit dem Ende der Diktatur von Yahya Jammeh 2016. Neue Medien werden gegründet, die Regierung verspricht neue Gesetze; in einer neuen Verfassung soll auch ein wichtiges Recht verankert werden. Die Pressefrei­heit.

 ?? FOTO: REPORTER OHNE GRENZENI ?? Mit diesem Plakat verdeutlic­ht die Organisati­on Reporter ohne Grenzen die Lage der Pressefrei­heit in den Ländern der Welt. Der Index erscheint jedes Jahr.
FOTO: REPORTER OHNE GRENZENI Mit diesem Plakat verdeutlic­ht die Organisati­on Reporter ohne Grenzen die Lage der Pressefrei­heit in den Ländern der Welt. Der Index erscheint jedes Jahr.
 ?? FOTO: BUNDESVERB­AND DEUTSCHER ZEITUNGSVE­RLEGER ?? Symbol für Pressefrei­heit: Diese Seite aus der türkischen Ausgabe des „Kleinen Prinzen“beschrieb der Journalist Deniz Yücel während seiner Haft. Mit der Schmutzwäs­che im Gepäck eines Anwalts gelangte sie nach Deutschlan­d.
FOTO: BUNDESVERB­AND DEUTSCHER ZEITUNGSVE­RLEGER Symbol für Pressefrei­heit: Diese Seite aus der türkischen Ausgabe des „Kleinen Prinzen“beschrieb der Journalist Deniz Yücel während seiner Haft. Mit der Schmutzwäs­che im Gepäck eines Anwalts gelangte sie nach Deutschlan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany