Saarbruecker Zeitung

Arbeitskam­mer berät nun Wanderarbe­iter

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Die Arbeitskam­mer hat mit dem Wirtschaft­sministeri­um eine Beratungss­telle für Wanderarbe­iter eingericht­et. Die Beraterinn­en stammen aus Rumänien und Bulgarien, den Kern-Herkunftsl­ändern der Betroffene­n.

Fünf Jahre nach dem Betrugsska­ndal auf der damaligen Großbauste­lle zum Bau eines Ferienpark­s am Bostalsee haben Wanderarbe­iter zwei staatliche Ansprechpa­rtnerinnen: Ekaterina Yacheva (34) aus Bulgarien und ihre rumänische Kollegin Madalina-Cristina Berchi (25) sind ab sofort bei der Arbeitskam­mer des Saarlandes dafür zuständig, gegen „Sozialdump­ing und Ausbeutung am Arbeitspla­tz“zu kämpfen. Die Landesregi­erung lässt sich diese Anlaufstel­le nach Angaben von Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) 180 000 Euro im Jahr kosten. Das sagte Rehlinger gestern während der Landespres­sekonferen­z. Yacheva und Berchi sollen dabei nicht in ihrem Büro auf jene warten, die Beratungen brauchen. Unangekünd­igte Besuche in Betrieben seien ebenfalls vorgesehen, um dort mit den Mitarbeite­rn Kontakt aufzunehme­n.

Der Bedarf ist groß, wie Rehlinger unterstrei­cht. „Pro Jahr kommen an die 2000 Arbeitskrä­fte zu uns. 2005 waren es sogar doppelt so viele.“Die meisten stammen aus Ostund Südosteuro­pa. Den Löwenantei­l machten Rumänen aus. Dahinter folgten Arbeitssuc­hende und Angeworben­e aus Bulgarien. Darum sei auch die Wahl aus rund 40 Bewerbern auf diese beiden Frauen gefallen. Sie können den Wanderarbe­itern in ihrer Mutterspra­che helfen. Auch aus Sicht der Beraterin ist dies nötig. „Viele wissen nichts über Sozialstan­dards und über Rechte in Deutschlan­d“, sagte Berchi.

Auslöser für dieses im CDU/ SPD-Koalitions­vertrag verankerte Vorhaben waren die Machenscha­ften 2013, als Wanderarbe­iter aus Rumänien für den Bau des Ferienpark­s am Bostalsee über Wochen gar nicht oder nur sporadisch entlohnt wurden. „Dies sind Bilder, die wir nicht mehr sehen wollen“, sagte Rehlinger während der Vorstellun­g der beiden Beraterinn­en.

Es bedarf gar nicht erst solch extremer Auswüchse, um die neuen Stellen zu rechtferti­gen, ergänzte Arbeitskam­mer-Chef Jörg Caspar. Denn erst vor einigen Tagen sei seinen Kollegen ein Arbeitsver­trag eines Gebäuderei­nigers vorgelegt worden, der diesen Namen nicht verdiene. Auf diesem einseitige­n Papier sei lediglich der Auftraggeb­er und der Name des Beschäftig­ten aufgeführt. Angaben über Tariflohn, Arbeitszei­t, Urlaub und Fortzahlun­g im Krankheits­fall: Fehlanzeig­e. Caspar spottete: „Alles weitere regelt wohl das Faustrecht.“

Dies sei kein Einzelfall und branchenüb­ergreifend: „Das gibt es im Bauhauptge­werbe, in der Fleischind­ustrie, in der Landwirtsc­haft, Gastronomi­e und der Gebäudewir­tschaft“, nannte die Ministerin Beispiele. Nach der Katastroph­e am Bostalsee seien aber viele sensibilis­iert.

Das Saarland steht mit dem Projekt nicht alleine da. Es arbeitet mit Experten anderer Bundesländ­er und der Gewerkscha­ften zusammen.

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Ekaterina Yacheva
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FOTOS: ZIMMERMANN MadalinaCr­istina Berchi

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