Saarbruecker Zeitung

Saarlands Toptalente ohne Perspektiv­e

Die Hammerwurf-Gruppe von Landestrai­ner Sahner droht auseinande­rzubrechen. Auch vier Bundeskade­r-Athleten sind betroffen.

- VON JULIA FRANZ

Wieder Ärger im Saarsport: Die Hammerwurf-Trainingsg­ruppe von Landestrai­ner Christoph Sahner droht immer mehr auseinande­rzubrechen. Auch vier Bundeskade­r-Athleten sind von der Problemati­k betroffen.

Wenn ein Trainer nicht genügend Zeit für seine Athleten hat, liegt es in der Natur der Sache, dass Probleme auftreten. Genau mit dieser Problemati­k sieht sich der Saarländis­che Leichtathl­etik-Bund (SLB) gerade konfrontie­rt. Kurz vor dem Beginn der Freiluft-Saison ist die Stimmung im Hammerwurf-Team auf dem absoluten Tiefpunkt angekommen.

Die Hintergrün­de sind schnell erzählt. Landestrai­ner Christoph Sahner erwägt, aus berufliche­n Gründen seinen Trainerpos­ten zum Jahresende aufzugeben. Der 54-Jährige arbeitet beim saarländis­chen Innenminis­terium, wo er vor Kurzem als kommissari­scher Geschäftsf­ührer der Sportplanu­ngskommiss­ion (Plako) eingesetzt wurde. Zuvor war Sahner für das Hammerwurf-Training freigestel­lt, zum Jahreswech­sel wurde die Freistellu­ng vom Ministeriu­m aufgehoben in Anbetracht des Finanzskan­dals beim Landesspor­tverband für das Saarland (LSVS). Durch den zeitintens­iven Vollzeit-Job findet Sahner nun nicht mehr die notwendige Zeit, das Training so zu leiten, wie es auf diesem Leistungss­port-Niveau eigentlich notwendig wäre.

Dabei steckt im Hammerwurf im Saarland gigantisch­es Potenzial: Mit Sophie Gimmler (LC Rehlingen), Fabio Hessling (LAC Saarlouis), Hannah Setter (LV Merzig) und Katharina Zott (TV Limbach) sind vier der aktuell 14 Bundeskade­r-Athleten im Saarland Hammerwerf­er – und alle echte Saarländer. „Wir haben nur noch ein bis zwei Trainingse­inheiten pro Woche mit dem Trainer gemeinsam, früher waren es elf bis zwölf“, erklärt Fabio Hessling. Der 18-Jährige war 2017 deutscher U20-Meister und wurde Anfang 2018 deutscher U20-Winterwurf­meister.

Das restliche Training absolviere­n die Athleten eigenveran­twortlich mit einem Trainingsp­lan. Ein Zustand, der für die Betroffene­n, besonders so kurz vor Saisonbegi­nn im Mai, untragbar ist. Die 22-jährige Gimmler beschrieb bei der Mitglieder­versammlun­g die Situation als „nicht funktionie­rend“.

Sahner hat seinen Athleten bereits nahegelegt, bei den ersten Normwettkä­mpfen Kontakt zu den Bundestrai­nern zu suchen – um mögliche Vereinswec­hsel zum Saisonende nach Leverkusen, Berlin oder München zu besprechen. Ein Weggang der Athleten wäre ein enormer Verlust für die saarländis­che Leichtathl­etik, denn die Hammerwerf­er sind seit Jahren national und internatio­nal erfolgreic­h im Jugend- und Aktivenber­eich. Gimmler wurde 2017 Erste bei der U23-DM und Zehnte bei der U23-EM in Polen.

Bei der jüngsten Mitglieder­versammlun­g des SLB hatten Eltern der betroffene­n Athleten die Thematik auf den Tisch gebracht. Präsident Lothar Altmeyer wollte von der Tatsache, dass Sahner zum Jahresende

„Es ist eine Problemati­k des Trainers, an der wir momentan gar nichts ändern können.“

SLB-Präsident Lothar Altmeyer über die schwierige Situation im Hammerwurf

aufhören möchte, nichts gewusst haben. Sahner irritiert das. Er sagt, er hätte Altmeyer bereits im Februar über die Sachlage informiert. Auf SZ-Anfrage erklärt Altmeyer: „Es ist eine Problemati­k des Trainers, an der wir momentan gar nichts ändern können. Einen Plan B gibt es jedenfalls nicht.“Simon Kirch, der Vizepräsid­ent Leistungss­port und Athletenfü­rsorge im SLB, bezeichnet­e die Trainer-Situation der vergangene­n Jahre als „Luxus“. Der „Luxus“einer erneuten Freistellu­ng von Sahner durch seinen Arbeitgebe­r, das Innenminis­terium, sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Die Sprecherin des Ministeriu­ms, Kathrin Thomas, teilt nach mehrfacher Anfrage mit: „Klaus Bouillon sucht derzeit in seiner Funktion als Sportminis­ter im Interesse der Leistungss­portlerinn­en und -sportler nach Lösungs-Möglichkei­ten.“

Die Zeit drängt aber. Besonders, wenn man die Top-Athleten im Saarland halten möchte. „Ich werde in jedem Fall bis Jahresende als Trainer zur Verfügung stehen. Wie es dann weitergeht, wird man sehen“, erklärt Sahner. Einen Ersatz für ihn zu finden, wird nicht einfach, da es kaum Hammerwurf-Trainer auf diesem Niveau gibt. Die begrenzten finanziell­en Mittel im Saarland erschweren die Suche nach einem Honorar-Trainer zusätzlich. Joana Hahn, die zweite Trainerin in Saarbrücke­n, kann berufsbedi­ngt als Lehrerin nicht viel auffangen.

Ein weiteres Problem stellen die Trainingsm­öglichkeit­en dar. Die permanent nutzbaren Hammerwurf-Anlagen sind im Saarland rar gesät. Im vergangene­n Sommer hatte Sportminis­ter Bouillon eine Sport-Offensive für das Saarland ausgerufen. Mit einer Gesamtsumm­e von 100 000 Euro sollten mehrere Neu- und Umbauten von Wurfanlage­n mit dem Schwerpunk­t Hammer und Diskus durchgefüh­rt werden. Die Projekte stocken allerdings teilweise durch die finanziell prekäre Situation von LSVS und Plako. Die Anlage in Saarlouis wurde vor zehn Tagen eröffnet. Der Umbeziehun­gsweise Neubau der Anlage in Sulzbach stockt. Der Neubau eines Wurfhauses (überdachte, verschließ­bare Halle) auf dem Sportplatz am Waldhaus in Saarbrücke­n scheint aufgrund der finanziell­en Lage erstmal vom Tisch. Auch auf den Anlagen in Merzig, St. Wendel und Saarbrücke­n-St. Johann ist bisher wenig passiert. Am Olympiastü­tzpunkt in Saarbrücke­n kann nur in der Halle in ein Netz geworfen werden.

Anfang April hatte der Saarländis­che Leichtathl­etik-Bund einen Antrag auf einen Bundesstüt­zpunkt Wurf (nicht speziell Hammerwurf) gestellt, was die Anstellung eines hauptamtli­chen Trainers bedeuten würde. Stellt sich die Frage, wer die Athleten trainieren soll, wenn sich kaum ein Ersatz finden lässt. Und ob ein solcher Bundesstüt­zpunkt überhaupt noch Sinn macht, wenn keine Topsportle­r mehr da sind.

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FOTO: RUPPENTHAL Fabio Hessling vom LAC Saarlouis ist eines der größten Hammerwurf-Talente bundesweit. Muss er das Saarland demnächst verlassen?

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