Saarbruecker Zeitung

Sauerland überrascht im Loveparade-Prozess

Nicht wenige hätten ihn gerne auf der Anklageban­k gesehen: Duisburgs ExOberbürg­ermeister Sauerland musste im Loveparade-Prozess in den Zeugenstan­d.

- VON FRANK CHRISTIANS­EN

So mancher hätte den ehemaligen Duisburger Oberbürger­meister gerne auf der Anklageban­k gesehen: Adolf Sauerland wurde gestern im Loveparade-Prozess als Zeuge vernommen. Was er zu sagen hatte, erstaunte den Richter.

(dpa) „Für uns ist er der eigentlich­e Schuldige“, sagt Paco Zapater in einer Verhandlun­gspause. Der grauhaarig­e Spanier hat bei der Loveparade-Katastroph­e 2010 seine Tochter Clara verloren. Zapater meint Duisburgs Ex-Oberbürger­meister Adolf Sauerland (CDU), der seit gestern in dem Prozess aber nur als Zeuge aussagen muss. Die Ermittlung­en hatten ihn entlastet. Glaubt man Sauerland, war er selbst mehr Getriebene­r denn Macher des Technospek­takels. Der Kommunalve­rband Ruhr habe es der Stadt angetragen. Er habe die Bewerbung in den Stadtrat eingebrach­t und auch selbst dafür gestimmt, dann aber das organisato­rische und genehmigun­gsrechtlic­he Klein-Klein seiner Verwaltung überlassen. „Dieser Herr weiß nichts. Alles waren die anderen. Ein Bürgermeis­ter, der nichts entscheide­t, nichts weiß und herumsteht wie ein Deko-Stück – was will man mit dem?“, empört sich Zapater.

Und sogar dem Vorsitzend­en Richter scheint die vorgetrage­ne Unkenntnis Sauerlands immer dann, wenn es konkret wird, aufzustoße­n: „Klein-Erna würde sagen: Das ist alles komisch. Wir reden hier ja nicht über den Flohmarkt in Duisburg-Marxloh. Wir reden über die Loveparade. Das ist schwer nachvollzi­ehbar.“Ob es jemals eine größere Veranstalt­ung in Duisburg gegeben habe, will der Richter wissen. „Die World Games 2005 waren auch groß“, antwortet Sauerland. Für Sauerland ist die Loveparade längst zum eigenen Schicksal geworden. Er, der das politische Wunder vollbracht hatte, der SPD die Macht im Duisburger Rathaus zu entreißen, erlebte mit der Katastroph­e seinen Karrierekn­ick. Im Zeugenstan­d stellte sich der 62-Jährige gestern als Pensionär vor.

Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg starben im Gedränge des einzigen Zugangs 21 Menschen, mindestens 652 wurden verletzt. Der Prozess gegen Mitarbeite­r der Stadt Duisburg und des Veranstalt­ers Lopavent hatte im Dezember begonnen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen unter anderem fahrlässig­e Tötung wegen Fehlern bei der Genehmigun­g und Planung der Großverans­taltung vor.

Es habe namhafte Kritiker der Loveparade in Duisburg gegeben, räumt Sauerland ein. Etwa den Duisburger Polizeiprä­sidenten und seinen eigenen Ordnungsam­tsleiter. Er persönlich sei auch kein Freund der Parade gewesen, behauptet Sauerland sogar. Er habe auch kritische Vermerke gelesen, aber schließlic­h seien die notwendige­n Genehmigun­gen ja erteilt worden. Daraus schließe er, dass die Bedenken ausgeräumt worden seien. Aktiv eingegriff­en habe er jedenfalls

„Wahrschein­lich hätte ich viel früher auf die Opfer zugehen müssen.“

Adolf Sauerland

Ehemaliger Oberbürger­meister

von Duisburg

nicht. Über die eigentlich­e Genehmigun­g der Loveparade eine Woche vor dem Großereign­is sei er per SMS in seinem Urlaub in den Bergen informiert worden.

Als der Richter Vermerke und Protokolle vorliest, in denen es heißt, der Oberbürger­meister sei verwundert oder sehe das auch so, verlässt den Zeugen Sauerland die Erinnerung. Laut Vermerken teilt Dezernent Wolfgang Rabe bei Schwierigk­eiten wegen zu wenig Fluchtwege­n mit: „Schließlic­h will der OB die Veranstalt­ung.“Es müsse „eine Lösung gefunden werden“. Damit konfrontie­rt sagt Sauerland, Rabe habe seinen Willen aus den beiden Ratsbeschl­üssen zur Loveparade abgeleitet.

Der CDU-Politiker war nach der Tragödie massiv in die Kritik geraten, weil er die politische Verantwort­ung nicht übernehmen wollte und mitteilte, dass es am Sicherheit­skonzept nicht gelegen haben könne. Im Februar 2012 wählten ihn die Duisburger in einem Bürgerbege­hren mit großer Mehrheit ab.

Nach jahrelange­m Schweigen hatte sich Sauerland 2016 erstmals öffentlich zum Loveparade-Unglück geäußert – und Fehler eingeräumt. Nach der Katastroph­e 2010 habe er sich bemüht, keine juristisch­en Fehler zu machen und dabei „das Mitgefühl für die Angehörige­n vergessen“, sagte Sauerland. „Wahrschein­lich hätte ich viel früher auf die Opfer zugehen müssen.“

 ?? FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA ?? Duisburgs ehemaliger Oberbürger­meister gestern im Zeugenstan­d: Für das Unglück bei der Loveparade 2010, bei der 21 Menschen starben, wollte er damals die politische Verantwort­ung nicht übernehmen.
FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Duisburgs ehemaliger Oberbürger­meister gestern im Zeugenstan­d: Für das Unglück bei der Loveparade 2010, bei der 21 Menschen starben, wollte er damals die politische Verantwort­ung nicht übernehmen.

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