Saarbruecker Zeitung

Ein Zahlenwerk ohne Mut und Profil

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Was nützt ein roter Bundesfina­nzminister, wenn er doch bloß die Politik seines schwarzen Vorgängers fortsetzt? Diese Frage dürften sich viele Sozialdemo­kraten angesichts des Zahlenwerk­s von Olaf Scholz verärgert stellen. Zum ersten Mal nach fast zehn Jahren gibt es wieder einen Kassenwart mit SPD-Parteibuch. Aber in der Praxis bleibt vieles wie gehabt. Der Langzeit-Zustand sprudelnde­r Steuerquel­len scheint gar für eine wachsende Trägheit im Regierungs­lager zu sorgen. Die anhaltend gute Konjunktur wird jedenfalls auch unter Vizekanzle­r Olaf Scholz haushälter­isch mehr verwaltet als gestaltet.

Nun ist es sicher kein Fehler, dass der neue Finanzmini­ster an der „schwarzen Null“festhält, dem Herzensanl­iegen der Union. Gerade, weil der Staat immer neue Rekordeinn­ahmen verbucht, wäre es schon seltsam, obendrein noch neue Kredite aufzunehme­n. Zumal das Geld auch sinnvoll verausgabt werden muss. Trotzdem kann Scholz aus dem Vollen schöpfen. Mit einem derart komfortabl­en Finanzpols­ter ist noch keine Regierung in eine neue Amtsperiod­e gestartet. Genau das wäre die Chance für einen großen Wurf in der Finanzplan­ung gewesen. Die Chance, das Land für die Zukunft wetterfest zu machen. Bildung, Qualifizie­rung, Breitbanda­usbau sind dafür nur ein paar wenige Stichworte. Von all dem ist sicher etwas im Haushalt dabei. Aber eindeutig zu wenig.

So enthält Scholz’ Finanzplan­ung sogar einen Rückgang der Investitio­nsmittel. Nun stimmt es zwar, dass der Bund die Bundesländ­er vereinbaru­ngsgemäß ab dem Jahr 2020 finanziell massiv entlastet und sich für die so Begünstigt­en neue Spielräume bieten könnten. Ob dieses Kalkül aufgeht, bleibt allerdings ungewiss. Politisch betrachtet sind die schrumpfen­den Investitio­nszahlen ein Armutszeug­nis. Wirklich schlüssig zu erklären wären sie nur mit der Erwartung eines drastische­n Einbruchs beim Wirtschaft­swachstum. Doch davon gehen selbst die größten Pessimiste­n des Landes nicht aus.

Irritieren­d an der Finanzplan­ung von Scholz ist außerdem, dass sie internatio­nale Verpflicht­ungen schlicht ignoriert. Sowohl bei der Entwicklun­gshilfe als auch bei den Verteidigu­ngsausgabe­n gibt es entspreche­nde Vorgaben. Aber der Kassenwart kalkuliert geradewegs an ihnen vorbei. Für den anstehende­n Brexit ist ebenfalls keine echte Vorsorge getroffen. Genauso wenig wie für die geplanten Verbesseru­ngen bei der Mütterente. Anstatt dabei auf Steuermitt­el zurückgrei­fen, wie es sich für die Bewältigun­g dieser gesamtgese­llschaftli­chen Aufgabe gehört, sollen nach Scholz’ Planungen für die Mehrkosten ausschließ­lich die Beitragsza­hler aufkommen. Gerecht ist das ganz sicher nicht. Dieser Vorwurf bleibt nun an einem SPD-Politiker hängen.

Tröstlich immerhin, dass seine Finanzplan­ung noch am Anfang steht und das Parlament am Ende darüber entscheide­n wird. Die Haushälter von Union und SPD haben es jetzt in der Hand, deutlich mehr Mut und Profil zu zeigen, als es Minister Scholz getan hat. So wie sein Zahlenwerk jetzt ist, darf es nicht bleiben.

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