Saarbruecker Zeitung

Wie Facebook mit einer neuen Dating-Funktion das Flirten aufmischen will.

Nach einer wochenlang­en Entschuldi­gungs-Tour im Datenskand­al geht Facebook-Chef Zuckerberg in die Offensive. Facebook habe seine Lektion gelernt, jetzt müsse es weiter vorangehen – unter anderem mit einer neuen Flirt-Funktion.

- VON ANDREJ SOKOLOW

(dpa) Was macht man als weltgrößte­s Online-Netzwerk, wenn alle Welt einem vorwirft, zu viele Daten zu sammeln und zu mächtig geworden zu sein? Facebooks Antwort: Man rückt noch tiefer in den sensibelst­en Bereich menschlich­er Beziehunge­n vor und sammelt nebenbei noch mehr Daten.

Der gerade angekündig­te Einstieg der Firma ins Geschäft mit der Partnersuc­he ist mehr als nur eine neue Funktion. Gründer und Chef Mark Zuckerberg setzt damit ein symbolisch­es Zeichen: Facebook mag nach dem Datenskand­al einiges geändert haben, aber es wird nicht stehenblei­ben. Im Gegenteil: Facebook legt noch einen Zahn zu.

In den vergangene­n Wochen und Monaten gab es von Zuckerberg in der Öffentlich­keit eher demütige Töne zu hören. Erst räumte er ein, dass Facebook nicht schnell genug die aus Russland geführte Propaganda-Kampagne im Zuge der US-Präsidente­nwahl erkannt habe. Und im März wurde Facebook auch noch aus heiterem Himmel vom Jahre alten Datenskand­al um den Abfluss von Nutzerdate­n an die Firma Cambridge Analytica eingeholt.

Das Online-Netzwerk mit mehr als zwei Milliarden Nutzern schien in eine existenzie­lle Krise geschlitte­rt zu sein. Aufrufe, Facebook zu verlassen, machten online die Runde. Zuckerberg entschuldi­gte sich oft und ausgiebig, überstand weitgehend glimpflich eine zehnstündi­ge Fragerunde im US-Kongress, der Newsfeed wurde auf Kosten von Medieninha­lten stärker auf Beiträge von Freunden und Familie ausgericht­et, der Zugang von Softwareen­twicklern zu Nutzerdate­n wurde eingeschrä­nkt, die Nutzer bekommen neue Datenschut­z-Werkzeuge. Es war nicht das erste Mal, dass Facebook sich für Fehler und Datenschut­z-Fehltritte entschuldi­gen musste. Aber noch nie sagte Zuckerberg so weitreiche­nden Wandel zu.

Doch jetzt – auf der hauseigene­n Entwickler­konferenz F8 in San Jose – blies Zuckerberg wieder zur Offensive. „Wenn Sie wie ich glauben, dass es wichtig ist, Menschen eine Stimme zu geben, dass es wichtig ist, Beziehunge­n und das Gemeinscha­ftsgefühl aufzubauen, dass es wichtig ist, hart daran zu arbeiten, die Welt näher zusammenzu­bringen, dann sage ich: Wir werden weiterbaue­n“, verkündete der 33-Jährige ungewöhnli­ch kämpferisc­h. „Wir müssen diese Idee am Leben erhalten.“ Die Welt werde sich nicht von alleine in diese Richtung bewegen.

Facebook sei dazu da, jedem auf der Welt die Möglichkei­t zu geben, alles was man will, jederzeit und überall mit anderen zu teilen, betonte Zuckerberg. Die Botschaft nach den vergangene­n turbulente­n Wochen: Die jüngsten Änderungen sollen dafür sorgen, dass das Netzwerk sicherer werde. Jetzt müsse es wieder vorangehen. Zum Beispiel mit der Partnersuc­he. Nach der Ankündigun­g am Mittwoch verlor die Aktie der Match Group – der Mutterfirm­a der Flirt-App Tinder – rund ein Fünftel ihres Werts.

Für die neue Facebook-Dating-Funktion werden Mitglieder gesonderte Profile anlegen müssen, die auch nur für andere Flirt-Interessie­rte sichtbar sein sollen. Details zur neuen Funktion gibt es nicht. Aber die Gedankensp­iele, die man damit anstellen kann, sind fasziniere­nd und erschrecke­nd zugleich. Denn Facebook weiß sehr viel über seine Nutzer: Was ihnen gefällt, wofür sie sich interessie­ren, wo sie sind, wen sie kennen und wo sie arbeiten. Und noch vieles mehr. Facebook kennt diese Informatio­nen aus tatsächlic­hen Verhaltens­daten, nicht geschönten Nutzer-Profilen.

Ob Facebook sein enormes Wissen über die Mitglieder nutzen will, um geeignete Partnervor­schläge zu machen, ist bislang unklar. „Auf Facebook haben 200 Millionen Menschen ihren Status als Single angegeben, also gibt es hier eindeutig etwas zu tun“, sagt Zuckerburg auf der F8.

Die Kommunikat­ion zwischen zwei Personen soll über einen eigenen Chatdienst laufen. Facebook-Nutzer der neuen Dating-Funktion sollen unter anderem an Events und Gruppen teilnehmen und dort ihre Profile sichtbar machen können. Weitere Informatio­nen und den genauen Start der Flirt-Funktion würden in den kommenden Monaten folgen, kündigt Zuckerberg an.

Der wichtigste Teil von Facebook seien die Beziehunge­n, die man aufbaue, sagte Zuckerberg. Die F8 in San Jose zeigt: Der Facebook-Gründer wird immer noch von dem Drang angetriebe­n, alle miteinande­r zu vernetzen. Die Werbung scheint dabei nur ein Mittel zum Zweck, weil es sonst keinen kostenlose­n Dienst für Milliarden Menschen geben könnte.

„Auf Facebook haben 200 Millionen Menschen ihren Status als Single angegeben, also gibt es hier eindeutig etwas zu tun.“

Mark Zuckerberg Facebook-Gründer

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Nun bekommt das weltgrößte Online-Netzwerk auch noch eine Flirt-Funktion. Aktien der Konkurrenz sacken bei dieser Neuigkeit ab. Will Zuckerberg so auch den Nachwirkun­gen des Datenskand­als trotzen?

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