Saarbruecker Zeitung

Der Giro d’Italia startet ab morgen an ungewöhnli­cher Stelle: Drei Tage lang fahren die Profis in Israel.

Der Auftakt des Rad-Etappenren­nens ist das erste bedeutende weltweite Sportereig­nis in Israel. Die Sportgesch­ichte des Landes ist komplizier­t.

- VON CHRISTOPH LEUCHTENBE­RG

(sid) Die Signori aus der Direktion des Giro d’Italia fanden sich unversehen­s im Minenfeld wieder. „So werden wir diese Veranstalt­ung nicht unterstütz­en“, teilte Israels Sportminis­terin Miri Regev den Geschäftsp­artnern aus Italien kühl mit und drohte mit der Streichung von fünf Millionen Euro Fördergeld: „Jerusalem ist Israels Hauptstadt: Es gibt keinen Westen und Osten.“Basta!

Der Affront, den sich die Radsport-Delegierte­n geleistet hatten: Bei der Streckenvo­rstellung der Italien-Rundfahrt 2018, die ab Freitag mit einem dreitägige­n Exkurs in Israel beginnt, hatten sie als Startort „West-Jerusalem“verkündet, wohl eher unbedarft als politisch motiviert, zumindest rein geografisc­h aber noch völlig korrekt. Doch so einfach ist es in Nahost nicht. Vor allem nicht in Jerusalem, der komplizier­testen, weil ethnisch wie religiös von vielen Seiten beanspruch­ten Stadt der Welt.

Prompt mussten sich die Giro-Organisato­ren von anti-israelisch­er Seite anhören, dass sie sich mit der Veranstalt­ung des Rennens „der Okkupation und des Völkerrech­tsbruchs“mitschuldi­g machten, so die palästinen­sische Parlamenta­rierin Hanan Ashrawi, die Richtung Italien forderte, „mit der versöhnlic­hen Haltung gegenüber Israel auf Kosten unserer grundlegen­den Menschenre­chte aufzuhören“, das Rennen gefälligst woanders abzuhalten.

Nun rollt der Giro doch durchs Heilige Land - den Ostteil Jerusalems und die palästinen­sischen Autonomieg­ebiete klammert die Route aus. Mit einem Gesamtbudg­et von 120 Millionen Schekeln (27 Millionen Euro) wird der Abstecher zu einer der teuersten Sportveran­staltungen Israels und - abgesehen von den Schach-Olympiaden 1964 und 1977 sowie den Paralympic­s 1968 zur ersten wichtigen weltweiten.

Europameis­terschafte­n gab es schon zwischen Mittelmeer und Jordan, zuletzt die Judo-EM vergangene­s Wochenende in Tel Aviv, davor jene der U21-Fußballer 2013 und die Kurzbahn-EM der Schwimmer 2015. Aber Weltmeiste­rschaften im sportverrü­ckten Land? Seit der Staatsgrün­dung 1948 Fehlanzeig­e. Eine WM nach Israel zu vergeben, würde zwangsläuf­ig zum Boykott diverser Staaten führen - dies will kein Welt-Fachverban­d riskieren. Doch ebenso wenig, wie Teile der Welt in Israel zu Gast sein wollen, sind israelisch­e Gäste in manchen Ländern willkommen.

In den 70ern wurde Israel aus Asiens Sportverbä­nden ausgeschlo­ssen, die Aufnahme in die europäisch­en scheiterte am Ostblock-Veto - Israel landete in Ozeanien. Erst nach dem Kalten Krieg fanden die Israelis in Europa sportlich Zuflucht.

Feindselig­keit gegen Israels Sportler hat lange Tradition. Vor allem Kontrahent­en aus Iran weigern sich regelmäßig, trotz drohender Disqualifi­kation gegen Israelis anzutreten oder sogar - wie Schwimmer Mohammed Alirezai bei Olympia 2008 - auch nur ins gleiche Becken zu springen. Gerne praktizier­t wird das Verweigern von Visa für Israelis, zuletzt bei der U18-WM im Taekwondo in Tunesien.

Schikanier­t wird keineswegs klandestin: Bei TV-Übertragun­gen des Schwimm-Weltcups 2013 in Doha wurde Israels Flagge entfernt. Beim Judo-Grand-Slam in Abu Dhabi siegte 2017 der Israeli Tal Flicker. Die Veranstalt­er verweigert­en das Hissen der Landesfahn­e und die Nationalhy­mne. Der Weltverban­d IJF beteiligte sich, um die schwerreic­hen Gastgeber nicht zu verprellen, am Possenspie­l: In der obligatori­schen Presseauss­endung wurde die Nationalit­ät Flickers verschwieg­en.

Dass der Start des Giro irgendetwa­s an der Gemengelag­e ändert, ist illusorisc­h. „Radsport ist eine universale Sprache und kann damit eine Brücke bauen“, sagt zwar Sylvan Adams. Der kanadische Immobilien-Milliardär, der seit zwei Jahren in Israel lebt, ist Hauptfinan­zier des Giro-Projektes. Kritiker führen hingegen an, dass das Rennen nur eine sehr teure touristisc­he Werbeveran­staltung sei.

So wird Israel im Weltsport wohl weiter isoliert bleiben, ein Dorn im Auge derer, die ihm das Existenzre­cht absprechen. Immerhin: Kein Team, kein Fahrer, das gaben die Organisato­ren erleichter­t bekannt, werde den Giro boykottier­en.

„Radsport ist eine universale Sprache und kann damit eine Brücke bauen.“

Sylvan Adams Hauptfinan­zier des Giro-Projektes

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FOTO: BALILTY/DPA Die Radprofis beim Giro d’Italia fahren zu Beginn ab morgigen Freitag so wie hier im Dunklen an einer erleuchtet­en Mauer der Jerusaleme­r Altstadt vorbei durch Israel. Das birgt sportpolit­isch Sprengstof­f.

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