Saarbruecker Zeitung

Politik verteidigt Härte bei Abschiebun­gen

Eine mit massiver Gewalt verhindert­e Abschiebun­g hat die Politik alarmiert. Die Polizei griff durch.

- VON THOMAS BURMEISTER

(dpa) Die Polizei hat für ihr hartes Durchgreif­en nach der gewaltsam verhindert­en Abschiebun­g eines Mannes aus Togo breite politische Rückendeck­ung erhalten. Forderunge­n nach deutlichen Konsequenz­en für Flüchtling­e, die Widerstand gegen Abschiebun­gen leisteten, wurden laut. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) sagte, für ihn sei klar, „dass das Gastrecht nicht mit Füßen getreten werden darf“. Auch CDU-Generalsek­retärin Annegret Karmp-Karrenbaue­r sagte, das Durchgreif­en der Polizei sei „notwendig, richtig und absolut zu unterstütz­en“.

Die Polizei hatte gestern einen zweiten Versuch unternomme­n, einen Asylbewerb­er aus einem Flüchtling­sheim in Ellwangen abzuschieb­en. Hunderte Beamte durchsucht­en dabei stundenlan­g die Unterkunft. Dort hatten in der Nacht zu Montag 150 bis 200 Flüchtling­e die Abschiebun­g des Mannes aus Togo gewaltsam verhindert, die Polizei den Einsatz abgebroche­n. Der 23-Jährige wurde gestern schließlic­h bei der Razzia gefasst und soll nach Italien zurückgebr­acht werden.

Die „empörenden Widerstand­shandlunge­n“müssten mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden, sagte Seehofer. Die Deutsche Polizeigew­erkschaft verlangte Konsequenz­en für die Angeifer. „Die Flüchtling­e, die in Ellwangen Polizisten angegriffe­n haben, müssen unverzügli­ch abgeschobe­n werden“, sagte der Bundesvors­itzende Rainer Wendt. FDP-Chef Christian Lindner sagte, der „Rechtsstaa­t darf sich nicht von einem Mob abschrecke­n lassen“. Auch Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter verteidigt­e das Vorgehen der Polizei. Sie habe die Aufgabe, Regeln und Gesetze durchzuset­zen. Kritik an dem Einsatz äußerten dagegen Aktivisten der Flüchtling­shilfe. Er sei unverhältn­ismäßig.

Im vergangene­n Jahr waren knapp 24 000 Ausländer aus Deutschlan­d abgeschobe­n worden. 2017 waren bundesweit 525 Abschiebun­gen per Flugzeug abgebroche­n worden, weil sich die Betroffene­n kurz vor der geplanten Ausreise gewehrt hatten.

(dpa) Hunderte Polizisten und bewaffnete Spezialkrä­fte besteigen Transporte­r. Viele tragen Sturmhaube­n. Im Schutz der Dunkelheit fahren sie in der Nacht zu gestern zur einstigen Reinhardt-Kaserne am Rande der beschaulic­hen schwäbisch­en Stadt Ellwangen. Es ist früh am Morgen, als die Polizisten aussteigen und die Unterkünft­e der Asylbewerb­er umzingeln. Dann kommt der letzte Befehl zum Start des Einsatzes noch vor dem Morgengrau­en. Er wird zu einer Machtdemon­stration des Rechtsstaa­tes.

Mit einer Botschaft, die allen voran Bundesinne­nminister Horst Seehofer betont: so nicht. Gewalttäti­ger Widerstand von Flüchtling­en gegen die Polizei müsse „mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden“, sagt er. Was sich am Montag in der Landeserst­aufnahmest­elle in Ellwangen bei der gescheiter­ten Abschiebun­g eines 23-jährigen Mannes aus dem westafrika­nischen Togo abgespielt hat, nennt der CSU-Politiker einen „Schlag ins Gesicht der rechtstreu­en Bevölkerun­g“.

Zwischen 150 und 200 Afrikaner leisteten Widerstand gegen die Abschiebun­g des Togoers. Sie schlugen auf Streifenwa­gen ein und bedrängten Polizisten. „Rückzug!“, lautete wenig später der Befehl, den das zuständige Polizeiprä­sidium in Aalen später autorisier­t. Die Beamten nahmen dem Mann aus Togo die Handschell­en ab, er wurde notgedrung­en freigelass­en – und floh.

Der Rückzug sei absolut richtig gewesen, sagt gestern Polizeiviz­epräsident Bernhard Weber. Seine Polizisten hätten sonst wohl gar ihr Leben riskiert, es hätte viele Verletzte geben können. In einer „so aggressive­n und gewaltbere­iten Ausnahmesi­tuation“habe man nicht anders gekonnt.

Bundesweit löst der Fall politische Empörung aus. Die Polizei bekommt Rückendeck­ung für ihre Großrazzia – nicht nur von Seehofer, auch von Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU). In Berlin fordert die Opposition Konsequenz­en von der Bundesregi­erung. Aus der FDP werden Mahnungen an Seehofer laut, rasch ein „schlüssige­s“Sicherheit­skonzept“für die geplanten Ankerzentr­en für Flüchtling­e vorzulegen. Sammelunte­rkünfte generell wieder in Frage zu stellen, fordern die Grünen. Und die AfD spricht von Behördenve­rsagen und fordert, alle Widerständ­ler zu inhaftiere­n und abzuschieb­en.

In Handschell­en abgeführt werden mehrere Männer am frühen Morgen in der Landesaufn­ahmestelle in Ellwangen – nach der Großaktion der Polizei. Gegen 27 Verdächtig­e wird den Angaben zufolge wegen mutmaßlich­er Widerstand­shandlunge­n weiter ermittelt. 15 Bewohner werden in andere Einrichtun­gen verlegt – auch um offenkundi­g in Ellwangen entstanden­e Gruppen gewaltbere­iter Flüchtling­en aufzulösen. Der gesuchte Togoer ist unter den vorläufig Festgenomm­enen. Ihn trifft wohl noch am wenigsten eine Schuld. Einsatzlei­ter Peter Hönle sagt, er habe sich ohne jeden Widerstand festnehmen lassen, bereits am Montag habe er selbst sich nicht widersetzt. Andere hätten den Aufstand gegen die Polizei initiiert – und wohl auch zielgerich­tet vorbereite­t.

Die „böse Überraschu­ng“eines organisier­ten Widerstand­s von Flüchtling­en gegen deutsche Sicherheit­sbeamte ist nach Einschätzu­ng aller Beteiligte­n die eigentlich­e erschrecke­nde Dimension des Geschehens in Ellwangen. Unter einer Gruppe von Schwarzafr­ikanern, sagt Weber, hätten sich „Strukturen entwickelt“, mit denen Behördenma­ßnahmen verhindert werden sollten. Es sei damit quasi ein „rechtsfrei­er Raum entstanden“.

Vor allem diese Erkenntnis führt gestern zu dem massiven Einsatz – durchaus nach dem Motto „Wehret den Anfängen“. Dazu sagt der Einsatzlei­ter: „Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man die Polizei mit einer organisier­ten Übermacht in die Flucht schlagen kann, hätte das verheerend­e Folgen.“Von künftig mehr Beamten bei Abschiebun­gen ist die Rede. Und: „Wir werden abschieben – ohne Wenn und Aber“.

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FOTO: ANDERSEN/AFP Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) billigt den Einsatz gegen Asylbewerb­er.
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FOTO: PUCHNER/DPA 27 Bewohner der Landeserst­aufnahmeei­nrichtung Ellwangen werden gestern abgeführt. Am Montag haben bis zu 200 Afrikaner die Abschiebun­g eines 23-jährigen Togolesen verhindert und Polizisten angegriffe­n.

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