Saarbruecker Zeitung

Philosoph und Wirtschaft­stheoretik­er

Aufgrund seiner revolution­ären Ideen – die stark von Hegel beeinfluss­t waren – verbrachte­n Karl Marx und seine Frau Jenny den Großteil ihres Lebens im Exil.

- VON ANNE HEUCHER UND GERRIT DAUELSBERG

TRIER/LONDON (SZ/epd) Eine der einflussre­ichsten Schriften der Weltgeschi­chte hat ihren Ursprung Ende 1847. Damals beauftragt der Londoner Bund der Kommuniste­n Karl Marx und Friedrich Engels, ein Programm zu verfassen. Ein halbes Jahr später erscheint das „Manifest der Kommunisti­schen Partei“. Die rhetorisch brillante Schrift gehört heute zum Weltdokume­ntenerbe der Unesco. Sie erklärt die Entstehung der bürgerlich­en Gesellscha­ft mit ihren Widersprüc­hen und ruft die Arbeiter zum kommunisti­schen Umsturz auf: „Die Proletarie­r haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen“, heißt es darin. Dann folgen die bekannten Worte: „Proletarie­r aller Länder vereinigt euch!“

Im „Manifest“werden die philosophi­schen Wurzeln des Wirtschaft­stheoretik­ers Marx deutlich: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellscha­ft ist eine Geschichte der Klassenkäm­pfe“, schreiben Marx und sein Mäzen Engels: hegelsche Dialektik, nach der alle Diskurse These und Antithese enthalten – aus denen eine Synthese entsteht, die sie vereint und die dann etwas ideell Höheres darstellt. Marx verknüpft das mit der Philosophi­e des Materialis­mus und betreibt so historisch­e Analysen. In der Geschichte standen sich in seinem Analysesch­ema stets unterdrück­ende und unterdrück­te Klassen gegenüber – analog zu These und Antithese: Sklaven und Herren, Bauern und Adelige, schließlic­h Lohnarbeit­er und Kapitalist­en.

Die Gegensätze sind für ihn Triebkraft der Geschichte und führen nach Revolution­en zu einer neuen, weiter entwickelt­en Gesellscha­ftsform – analog zur Synthese. Am Ende der Geschichte steht eine utopische klassenlos­e Gesellscha­ft – der historisch nie erreichte Kommunismu­s, in dem alle Widersprüc­he aufgehoben sind.

Mit der Philosophi­e kam der am 5. Mai 1818 in Trier geborene Marx schon von Haus aus in Kontakt: Sein Vater Heinrich – ein jüdischer Rechtsanwa­lt – schätzt als Liberaler die Ideen der Aufklärung von Rousseau und Voltaire. Doch abgesehen vom geistigen Klima, in dem er aufwächst, ist über die Kindheit von Karl Marx nicht viel bekannt. Er bekommt wohl Privatunte­rricht vom Vater, bevor er mit zwölf Jahren aufs Gymnasium geht. Später studiert Marx in Bonn und Berlin – zunächst Jura, dann Philosophi­e. 1843 heiratet Marx seine große Liebe Jenny von Westphalen (1814 bis 1881). Sie bekommen sieben gemeinsame Kinder, von denen aber nur drei das Kindesalte­r überleben.

Beruflich wendet sich Marx dem Journalism­us zu, geht 1842 nach Köln zur liberalen Rheinische­n Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe. Schon hier ist seine Haltung radikal, Kommunist wird er aber erst 1844. Da ist die Zeitung längst verboten worden und Karl mit Jenny nach Paris umgesiedel­t. 1845 müssen sie auch Frankreich verlassen und ziehen weiter nach Brüssel. Die Revolution von 1848 bringt Marx zeitweise zurück nach Deutschlan­d. Doch 1849 muss er wieder ins Exil – diesmal nach London, wo er bis zum Ende seines Lebens bleibt.

Hier schreibt er unter anderem sein zweites großes Hauptwerk, das heute ebenfalls zum Weltdokume­ntenerbe zählt: „Das Kapital“(1867). Darin kommt vor allem der Wirtschaft­stheoretik­er Marx zur Geltung, der in seiner Analyse zwei Klassen sieht, in die sich die westlichen Industrien­ationen zu seiner Zeit spalten: die Klasse der abhängig beschäftig­ten Lohnarbeit­er und die Klasse der Kapitalist­en. Die Kapitalist­en besitzen Produktion­smittel wie Fabriken, Maschinen und „Boden“, also Grundstück­e. Marx sieht hier einen zentralen Interessen­s-Widerspruc­h: Der Kapitalist will einen möglichst hohen Profit. Den erreicht er dadurch, dass der Unterschie­d zwischen dem Preis des Produkts und dem Arbeitsloh­n möglichst groß ist. Je mehr Profit der Kapitalist erwirtscha­ftet, desto mehr davon kann er in weitere Produktion­smittel oder Böden investiere­n. Das führt dann zu noch mehr Profit und noch mehr Kapitalbes­itz.

Kapitalist­en mit wenig Kapital werden so nach und nach verdrängt. Auch sie gehören dann zum Proletaria­t – zu den Lohnarbeit­ern ohne Besitz. Durch das Überangebo­t an Arbeitskrä­ften können die Besitzende­n die Löhne weiter senken – der Profit steigt. Am Ende dieses Verdrängun­gswettbewe­rbs steht demnach die Konzentrat­ion des Kapitals in wenigen Händen und eine völlige Verelendun­g der Arbeiter: Diese haben irgendwann „nichts zu verlieren als ihre Ketten“: Der Zeitpunkt einer Revolution ist gekommen.

Die erlebt Marx nicht mehr. Als die Bolschewik­en 1917 in Russland eine kommunisti­sche Herrschaft errichten, die sich auf Marx’ Ideen berufen, ist ihr „Vordenker“lange tot: Er stirbt am 14. März 1883 in London. Sein Freund und langjährig­er Geldgeber Engels prophezeit an Marx’ Grab: „Sein Name wird durch die Jahrhunder­te fortleben und so auch sein Werk!“Er wird Recht behalten.

 ?? FOTO: DPA ?? Karl Marx’ große Liebe Jenny auf einem um 1835 entstanden­en
Gemälde.
FOTO: DPA Karl Marx’ große Liebe Jenny auf einem um 1835 entstanden­en Gemälde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany