Neuer VW-Chef will den Autohersteller anständiger machen
BERLIN (dpa) VW will seinen viel beschworenen Kulturwandel nach einem holprigen Start entschlossener umsetzen. Dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg sei nur mit einer gesunden Unternehmenskultur möglich, sagte der neue Konzernchef Herbert Diess gestern auf der Hauptversammlung in Berlin. „Volkswagen muss in diesem Sinne noch ehrlicher, offener, wahrhaftiger, in einem Wort: anständiger werden.“
Zudem erklärte der Manager, für nicht zum Kerngeschäft zählende Unternehmensteile wie den Motorradbauer Ducati oder den Getriebehersteller Renk würden „belastbare Zukunftsperspektiven“erarbeitet. Volkswagen gehe die großen automobilen Zukunftsthemen konsequent an, sagte Diess mit Blick auf E-Mobilität und Vernetzung. „Aber der größte Teil der Wegstrecke liegt noch vor uns.“
Der schon von Ex-Konzernchef Matthias Müller ausgerufene Kulturwandel für mehr Kritikfähigkeit und ethisches Verhalten ließ bislang viele Fragen offen. Mitte April verlautete aus dem Aufsichtsrat, die entsprechenden Ziele müssten mutig und offen angegangen werden. Nötig seien belastbare Strukturen und Prozesse – „vor allem aber müssen wir auch danach handeln“, verlangte Diess. „Mir ist es ein Anliegen, dass Volkswagen offen und transparent ist.“
Zugleich konkretisierte der neue Vorstandschef, was er sich unter der neuen Konzernstruktur vorstellt – dabei schließt er auch Ausgliederungen von Nicht-Kerngeschäften nicht aus. Diess erklärte, Volkswagen müsse bei Entscheidungen und deren Umsetzung schneller werden. Die Wege seien zu lang, zudem gebe es an vielen Stellen Doppelarbeit. Das solle mit der neuen Konzernstruktur anders werden. Die neuen Markengruppen heißen „Volumen“(VW, Skoda, Seat, leichte Nutzfahrzeuge, Mobilitätsdienstleister Moia), „Premium“(Audi, Porsche Holding Salzburg, Lamborghini, Ducati) und „Super Premium“(Porsche, Bentley, Bugatti).
Die große Schelte für die Führung blieb bei der Hauptversammlung trotz der immer noch andauernden Diesel-Problematik aus. Grund dafür mag sein, dass ungeachtet der Probleme das Geld sprudelt und der Absatz alle Rekorde bricht. Unter Feuer allerdings kam Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch – bei Ausbruch der Abgasaffäre unter Ex-Konzernchef Martin Winterkorn noch Finanzvorstand. Markus Dufner vom Dachverband der Kritischen Aktionäre sagt: „Unser Vertrauen haben Sie nicht.“Winfried Mathes von Deka Investment fordert einen unabhängigen Aufsichtsratschef: „Herr Pötsch, sie sind das nicht.“Und der streitbare Saarbrücker Kleinaktionär Manfred O. Klein sieht in Pötsch gar einen „personifizierten Interessenkonflikt“, wirft ihm Arroganz und Ignoranz vor und fordert ihn zum Gehen auf: „Herr Pötsch, ich fordere Sie auf, dass Sie selbst zu dieser inneren Einsicht zu kommen: Der Müller hat vergessen, mich mitzunehmen, ich gehe jetzt freiwillig.“Der Gescholtene wiederum macht klar: „Ich teile Ihre Sicht nicht.“Dann kehrt Pötsch zurück zur Tagesordnung, begrenzt die Redezeit und dreht das Mikro ab, wenn ein Beitrag zu lange dauert.