Saarbruecker Zeitung

Protest gegen Neues Hambacher Fest

Das Hambacher Fest gilt als eine Urszene deutscher Demokratie. Nun kommt es zu einer umstritten­en Neuauflage. Kritik regt sich auch im Saarland.

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Ökonom, CDU-Mitglied und erklärter AfD-Wähler. Berühmthei­t erlangte er als Orakel der Finanzkris­e. 2006 hatte der Professor in einem Buch eine „neue Weltwirtsc­haftskrise“vorausgesa­gt. Titel: „Der Crash kommt“. Ähnlich alarmieren­d formuliert Otte auch heute. Ihn erinnert die Geschichte des legendären Treffens anno 1832 an die Gegenwart. „Das Hambacher Fest ist für mich eine demokratis­che Erhebung der Bürger. Sie wehrten sich gegen Zensur und Fürstenher­rschaft“, sagte er in einem Interview mit T-Online. Die Fürstenher­rschaft sei eine Herrschaft von oben gewesen, demokratis­ch nicht legitimier­t, so Otte: „Das sehe ich heute wieder.“

Gallo gefallen diese historisch­en Anleihen ganz und gar nicht. Er protestier­t jetzt gegen das „Neue Hambacher Fest“. Und spricht von populistis­chen Strömungen, deren Akteure versuchten, historisch­e Ereignisse oder Personen zu besetzen und für sich zu vereinnahm­en. Gallo sieht darin eine „perfide Strategie, sich auf einer historisch­en Basis zu legitimier­en“. Vor diesem Hintergrun­d klingt sein Lob für Otte, den Macher des „Neuen Hambacher Festes“, durchaus zwiespälti­g. Der Landrat hält Otte für einen hochintell­igenten Menschen. Auch wenn Gallo klar ist, dass er mit Ottes medialer Präsenz nicht konkurrier­en kann, sucht er doch die Auseinande­rsetzung mit ihm. Es ist ein Kampf um Aufmerksam­keit, der für Gallo allerdings kaum zu gewinnen ist. Und in dem es um nicht weniger geht als um die Deutungsho­heit über das, was 1832 auf dem Hambacher Schloss geschah. Vor allem aber: Welche Lehren zieht man daraus für die Gegenwart?

Otte hat eine „Hambacher Erklärung“ins Netz gestellt, eine Petition mit 19 Kästchen. Hinter jedem steht eine Forderung. Protest zum Ankreuzen. In einer „Präambel“zur Petition heißt es, dass Meinungsfr­eiheit, Rechts- und Sozialstaa­t in Deutschlan­d in vielerlei Hinsicht beschädigt seien. „Wir stellen mit Erschrecke­n fest, dass Zensur und zensurähnl­iche Praktiken wieder Einzug halten“, so Otte. Die Diffamieru­ng politisch Andersdenk­ender sei wieder an der Tagesordnu­ng. Zu seinem „Neuen Hambacher Fest“hat er Gäste eingeladen, die das ähnlich sehen dürften. Der ehemalige Berliner Finanzsena­tor Thilo Sarrazin („Deutschlan­d schafft sich ab“) soll sprechen, ebenso die frühere DDR-Bürgerrech­tlerin Vera Lengsfeld. Angekündig­t hat sich auch AfD-Chef Jörg Meuthen. Die Veranstalt­ung verspricht, ein neurechtes Happening zu werden.

Die Siebenpfei­ffer-Stiftung und die Hambach-Gesellscha­ft halten mit einer Presseerkl­ärung gegen. Unterzeich­net von Gallo und Wilhelm Kreutz, Geschichts-Professor und Vorsitzend­er der Hambach-Gesellscha­ft. „Gewiss kann es kein Monopol der Interpreta­tion Hambachs oder des Hambacher Erbes geben“, steht in der Erklärung. Das Hambacher Fest sei nicht zuletzt eine Manifestat­ion der Redefreihe­it gewesen. In diesem abwägenden Ton ist nicht das gesamte Papier verfasst. Am Schluss ist klar von Anstrengun­gen die Rede, „sich das Image von Hambach zunutze zu machen“. Der SZ sagt Historiker Kreutz: Das, was bisher über die Veranstalt­ung am Samstag bekannt ist, „ist nicht unser Verständni­s von Hambach.“

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FOTO: ANSPACH/DPA Auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße ist an diesem Samstag ein „Neues Hambacher Fest“geplant – mit Rednern wie Thilo Sarrazin und Vera Lengsfeld. Dagegen regt sich nun auch Widerstand im Saarland.

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