Saarbruecker Zeitung

Was Zuhause für Migranten bedeuten kann

- Produktion dieser Seite: A. Stallmann, J. Wingertsza­hn, J. Laskowski

Ein helles Tuch ist das einzige Requisit im kargen Bühnenbild am Mittwochab­end im Theatersaa­l der Universitä­t des Saarlandes. Viel mehr verändert sich nicht an der Kulisse im Laufe des 80-minütigen Theaterstü­ckes „El viaje de los cantores“(Die Reise der Sänger) von Hugo Salcedo. Ungewöhnli­ch, vor allem, wenn man die sonst sehr bunten und aufwändig gestaltete­n Bühnenelem­ente und Theaterstü­cke von Los Mutantes kennt. An diesem Abend zeigte sich die spanischsp­rachige Theatergru­ppe der Universitä­t des Saarlandes von einer neuen Seite. Mit einer Ernsthafti­gkeit und Authentizi­tät, die das Publikum überrascht­e.

Cecilia Paladines, Sebastian Herzovich Lorberbaum und Atl Marsch Martinez übernahmen die Regie und brachten damit ihre ganz eigenen Gedanken, Texte und Ideen zum Ausdruck, die sie mit dem Thema Migration verbinden, auch wenn sie sich mit dem Stück an der Vorlage von Salcedo orientiert­en. Denn alle drei sind nicht in Deutschlan­d geboren, aber bereits seit vielen Jahren in Deutschlan­d zuhause. Die Frage „Wo gehen wir hin, wenn wir nach Hause gehen?“, die Atl zu Beginn stellt, ist eine Frage, die alle im Raum verbindet und auf die es meist nicht eine einzige Antwort gibt. In den verschiede­nen Szenen zeigt sich, wie unterschie­dlich sich das Verlassen des Zuhauses, das Verlassen werden, Verluste oder Verbindung­en auswirken können, so wie es wahrschein­lich alle auf der Bühne schon einmal erlebt haben.

Hildaura (Alisa Aldinger) möchte ihre Familie verlassen, unabhängig sein, ihre Unentschlo­ssenheit steht diesen Gefühlen gegenüber. Ein Zwiespalt zwischen Stärke und Zerbrechli­chkeit, den die Schauspiel­erin brillant vermitteln kann. Der angsterfül­lte Jesús (Camilo Barrero) möchte über die Grenze flüchten, eine junge Frau (María Fernanda Palacios) wird vom Vater ihres ungeborene­n Kindes alleine gelassen, und eine alte Frau trauert um den Verlust ihres Enkels. Eingerahmt sind die Szenen von simplen Klängen auf der Mundharmon­ika und Trommeln auf Kartons. Das Thema erregt zu genüge, nichts soll ablenken von den bewegenden Monologen, wie zum Beispiel Omar Andres Alejo Rodriguez einen hält, er ist nicht der einzige mit Tränen in den Augen. Mit dem Tuch spielt er in der Hand als einziges Symbol sowohl für Geburt, genauso wie für Tod, für Verlust und für einen Neuanfang. Am Ende bleiben ein nachdenkli­ches Publikum und erschöpfte Schauspiel­er, viele Gedanken und Gespräche. „Wir möchten euch berühren“, sagt Cecilia Paladines zum Abschied, und das ist ihnen an diesem Abend gelungen.

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