Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Busfahrer klagen über mehr Gewalt

Die Gewalt in Bussen und Bahnen nimmt zu. Zugbegleit­er und Busfahrer fühlen sich nicht mehr sicher – vor allem nachts.

- Produktion dieser Seite: Markus Saeftel, Jörg Wingertsza­hn, Frank Kohler VON JÖRG WINGERTSZA­HN

Gewalt in saarländis­chen Bussen und Bahnen ist Alltag. Auch im Regionalve­rband. Das ist die bittere Bilanz des Forums der Arbeitskam­mer zur „Sicherheit in Bus und Bahn“.

„Ich hatte keine Chance. Gerade hatte ich den Zug betreten, da griff mich ein Fahrgast wortlos an und würgte mich“, sagt die Zugbegleit­erin Christel Hett. Der Vorfall hat sie traumatisi­ert. Sechs Wochen lang konnte sie nicht mehr arbeiten und musste eine Therapie machen. „Gerade als Frau hat man im Zug keine Rechte“, sagt Hett. Auf bestimmten Strecken habe sie daher regelrecht „Bauchschme­rzen“.

„Fast alle Busfahrer haben schon Gewalt erlebt“, berichtet ein Betroffene­r. „Einmal hat einer auf die Frontschei­be meines Busses gespuckt. Als ich ihn zur Rede gestellt habe, ist er in den Bus gestürmt und hat wahllos auf alles eingeschla­gen.“

Lokführer Karsten Hoffmann hat auch schon einiges erlebt: „Ich wurde beleidigt und bespuckt. Einmal wurde im Zug mit einer Pistole geschossen. Außerdem gibt es immer wieder Vandalismu­s und Schlägerei­en. Ein Bundespoli­zist hat mir mal gesagt, er würde seine 17-jährige Tochter nicht nachts im Zug fahren lassen.“

Die Sprecherin der Saarbrücke­r Stadtwerke, Ulrike Reimann, zu denen auch die Saarbahn gehört, bestätigt auf Anfrage eine „extreme Zunahme von verbaler Gewalt“gegen die Fahrer des Unternehme­ns. Daher habe man auch einen Sicherheit­sdienst beauftragt, zu gewissen Zeiten mitzufahre­n. Eine zuverlässi­ge Statistik zu den Übergriffe­n in Saarbahnen und Bussen gibt es nach Angaben der Sprecherin nicht. Das Unternehme­n sammele Meldungen über die Zwischenfä­lle. Das waren im vergangene­n Jahr zwölf, darunter Beleidigun­g, Bespucken und eine Messer-Attacke.

Zugbegleit­erin Tanja Gutheil berichtet von einem weiteren Problem: „Seit wir in den Zügen keine Fahrkarten mehr verkaufen dürfen, reagieren viele Fahrgäste darauf aggressiv.“Sie wünscht sich, dass die Polizei auf den Bahnhöfen mehr Präsenz zeigt. „Das allein würde schon helfen.“

Doch auch Polizisten werden Opfer. Über 70 000 Polizeibea­mte seien im Jahr 2016 bespuckt, beleidigt oder verletzt worden, sagt Martin Burkert, Vorstandsm­itglied der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft.

Das sei ein Plus von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Darunter waren 2374 Körperverl­etzungen, im Jahr 2017 waren es 2550 Körperverl­etzungen. Die Gewalt in den Zügen nehme vor allem nachts und an den Wochenende­n zu. Täter seien meist betrunkene junge Männer.

Werner Berger, Vorsitzend­er der Kreisgrupp­e Saarland der Bundespoli­zei, sieht die Politik in der Pflicht. „Ich fordere nicht mehr und nicht weniger als das Personal, das man uns zugesagt hat. Derzeit sind nur 60 Prozent der Stellen besetzt statt 100 Prozent. Unsere erste Priorität hat der Flughafen, dann kommen die Bahnhöfe. Zusätzlich müssen wir aber Beamte für Einsätze in anderen Bundesländ­ern abstellen.“

Berger spricht sich für mehr Videoüberw­achung auf Bahnhöfen aus. Über veröffentl­ichte Fotos und Videos könne man wenigstens einige Täter schnappen. Zudem fordert er, dass wieder Fahrkarten im Zug verkauft werden. Dass das nicht mehr geht, löse bei vielen Fahrgästen Aggression­en aus.

Udo Schneider, Leiter der Polizeiins­pektion St. Johann, verweist darauf, dass die Zahl der Straftaten in der Kriminalst­atistik entgegen der öffentlich­en Wahrnehmun­g gesunken ist. „Die tatsächlic­he Bedrohung und die gefühlte Unsicherhe­it stimmen nicht überein. Auch die Statistik beschreibt nicht die objektive Lage. Wir sind darauf angewiesen, dass alle Straftaten auch angezeigt werden.“

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FOTO: ACTIONPRES­S Die Fahrgäste in Bussen und Bahnen werden immer aggressive­r, berichten Busfahrer und Zugbegleit­er. Die verbale Gewalt nehme zu, immer mehr Fahrer würden aber auch mit Waffen angegriffe­n, wie unser Symbolbild zeigt.

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