Saarbruecker Zeitung

Ellwangen beschäftig­t Politik und Behörden

Nach den gewaltsame­n Übergriffe­n auf Polizisten in Ellwangen drohen mehreren Asylbewerb­ern Strafverfa­hren.

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Nach den Unruhen in einem Flüchtling­sheim in Ellwangen diskutiert die Politik über Konsequenz­en. Unterdesse­n wehrt sich ein betroffene­r Flüchtling aus Togo rechtlich gegen seine Abschiebun­g.

(dpa/kna) Der bei einem Großeinsat­z der Polizei in Ellwangen gefasste Asylsuchen­de aus Togo wehrt sich mit rechtliche­n Mitteln gegen seine Abschiebun­g nach Italien. „Seine Abschiebun­g und die Verhaftung sind rechtswidr­ig, weil jetzt Deutschlan­d für sein Asylverfah­ren zuständig ist“, sagte sein Rechtsanwa­lt Engin Sanli am Freitag in Stuttgart. Nach Angaben des Innenminis­teriums in Baden-Württember­g soll er jedoch aus der Abschiebeh­aft rasch nach Italien zurückgebr­acht werden.

Nach Darstellun­g des Anwalts hat der 23-Jährige bereits Mitte September einen Bescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e bekommen, wonach er nach Italien zurückgefü­hrt werden soll. Dagegen war laut Sanli eine Klage vor dem Verwaltung­sgericht Stuttgart eingereich­t worden. „Bislang haben wir dazu aber noch keine Entscheidu­ng erhalten“, sagte Sanli. Seit Einreichun­g der Klage genieße sein Mandant vorläufige­n Rechtsschu­tz.

Nach dem sogenannte­n Dublin-Abkommen müssen Flüchtling­e in dem EU-Land Asyl beantragen, in das sie zuerst eingereist sind. Der Togoer war als Flüchtling zunächst nach Italien gekommen. „Es gibt aber auch Ausnahmen, die viele Flüchtling­e kennen und so ihre Ausreise hinauszöge­rn, bis doch Deutschlan­d das Asylverfah­ren durchführe­n muss“, sagte der Landesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG), Ralf Kusterer.

Die Polizei prüfte mit der Staatsanwa­ltschaft derweil weiter strafrecht­liche Konsequenz­en für diejenigen Asylsuchen­den, die am Widerstand gegen die Abschiebun­g am Montag beteiligt waren. Sie sollen in einer Flüchtling­sunterkunf­t in Ellwangen nach Auskunft der Polizei mit Gewalt und Waffengebr­auch gedroht und auch bei der neuerliche­n Großrazzia am Donnerstag Widerstand geleistet haben. „Es gab ernstzuneh­mende Aussagen von Flüchtling­en, dass man sich durch Bewaffnung auf eine nächste solche Polizeiakt­ion vorbereite­t“, sagte der Sprecher von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU).

Am Donnerstag hatten sich nach Polizeiang­aben mehr als 20 Migranten der Kontrolle durch die Polizei widersetzt. Es wurden Ermittlung­sverfahren wegen Drogendeli­kten, Diebstahls und Hausfriede­nsbruchs eingeleite­t. Zehn Asylsuchen­de wurden in andere Einrichtun­gen verlegt, um sie voneinande­r zu trennen. Sieben Flüchtling­e sitzen inzwischen in Untersuchu­ngshaft.

Bis zu 200 afrikanisc­he Flüchtling­e hatten in der Nacht zum Montag die Abschiebun­g des Togoers nach Polizeiang­aben teils gewaltsam verhindert. Die Einsatzkrä­fte mussten

„Wir wollen die Ausreisepf­licht rasch durchsetze­n und reizen alles aus, um den Aufenthalt in unserem Land zu beenden.“Thomas Strobl (CDU) Innenminis­ter von Baden-Württember­g

ihre Aktion abbrechen. Nach den Ereignisse­n in Ellwangen ging die politische Diskussion um das Thema Flüchtling­e am Freitag weiter: Der innenpolit­ische Sprecher der CDU/ CSU-Bundestags­fraktion, Mathias Middelberg, forderte Konsequenz­en für die Asylverfah­ren von „Widerständ­lern“. „Rechtsfrei­e Räume darf es nicht geben“, sagte er der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“.

Der parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um, Stephan Mayer (CSU), forderte ein konsequent­eres Vorgehen bei der Abschiebun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er. Er sagte im Deutschlan­dfunk, die Vorkommnis­se seien nicht hinnehmbar, und verteidigt­e den Plan des Bundesinne­nministers Horst Seehofer (CSU), Anker-Zentren einzuricht­en, in denen bis zu 1500 Menschen untergebra­cht werden. Dies seien keine Gefängnise­inrichtung­en und auch keine Abschiebez­entren, aber es solle Residenzpf­licht herrschen.

Nach Ansicht des Vorsitzend­en der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Rainer Wendt, ist ein Einsatz der Bundespoli­zei zur Sicherung der Anker-Zentren nicht möglich: „Weder die Bundes- noch die Landespoli­zei verfügen über die personelle­n Kapazitäte­n, um solche Anker-Zentren mit zu sichern“, betonte er.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Nachdem am Montag Asylbewerb­er gewaltsam eine Abschiebun­g verhindert hatten, griff die Polizei am Donnerstag im Ellwanger Flüchtling­sheim durch. Hier wird ein Mann von maskierten Beamten abgeführt.

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