Saarbruecker Zeitung

Ex-Homburger hofft mit HSV auf das Wunder

Aus Homburg nach Hamburg: Mit dem neuen Trainer glaubt der HSV wieder an das Wunder Klassenver­bleib.

- Produktion dieser Seite: Kai Klankert Julia Franz VON CLAAS HENNIG

Christian Titz, ehemaliger Trainer des FC Homburg, hat Fußball-Bundesligi­st Hamburger SV im Abstiegska­mpf neues Leben eingehauch­t. In Frankfurt will der HSV die nächsten Punkte sammeln.

(dpa) So gefragt war Christian Titz noch nie in seinem Trainer-Leben. Ein Auftritt im „Aktuellen Sportstudi­o“des ZDF, Interviews in den Fach-Gazetten „Sport Bild“oder „kicker“, Porträts in zahlreiche­n Zeitungen – in der Schlusspha­se der Saison muss der 47-Jährige fast täglich Rede und Antwort stehen. Jeder will wissen, wie es der noch vor knapp zwei Monaten nur in Fachkreise­n bekannte Übungsleit­er geschafft hat, den schon längst totgesagte­n und so gut wie abgestiege­nen Fußball-Bundesligi­sten Hamburger SV wiederzube­leben. Von 2011 bis 2014 hatte Titz noch als Trainer den FC Homburg aus der Oberliga in die Regionalli­ga geführt und dort etabliert.

Titz scheint die Aufmerksam­keit nichts auszumache­n. Er nimmt sich die Zeit. So spricht er auch jeden Sonntagmor­gen nach einem Punktspiel noch lange nach dem Training mit Journalist­en. Er habe das „nicht allein gemacht, sondern der ganze Stab hat mich dabei enorm gut unterstütz­t“, sagte der Familienva­ter dem „kicker“zum unerwartet­en Aufschwung: „Am Ende sind aber die Spieler entscheide­nd, denn sie sind die Hauptprota­gonisten.“

Dennoch: Ohne ihn gäbe es keine Hoffnung mehr auf das Wunder Klassenver­bleib. Als er im März vom U21- zum Cheftraine­r befördert worden war, war dies auch für ihn nicht ohne Risiko. Schließlic­h würde sein Name mit dem ersten Abstieg des Bundesliga-Gründungsm­itglieds auf ewig verbunden sein. Etwas, das sich im Lebenslauf für mögliche Bewerbunge­n bei anderen Proficlubs nicht sonderlich gut macht. Er habe eine Nacht darüber schlafen müssen, ehe er zugesagt hatte. „Ich musste den Glauben und die Überzeugun­g haben“, sagte er.

Zwar sind die Hanseaten vor dem vorletzten Saisonspie­l an diesem Samstag bei Eintracht Frankfurt (15.30 Uhr) als Tabellenvo­rletzter noch immer in höchster Gefahr. Schließlic­h fehlen ihnen noch zwei Punkte zum Relegation­splatz. Aber der auf diesem rangierend­e VfL Wolfsburg hat eine Formkurve, die steil nach unten zeigt. Bei Frankfurt lief es in der Liga zuletzt ähnlich. Anders ist es beim HSV. Nach sechs Spielen unter Titz hat sich in der Mannschaft, im Verein und unter den Fans etwas bewegt. Es herrscht wieder so etwas wie Euphorie im und um das Team.

„Nach den letzten gewonnenen Spielen spürt man schon, dass die Mannschaft an sich glaubt, dass der Mut, ein Risiko einzugehen, sehr, sehr groß ist“, sagte Titz jetzt: „Es überwiegt der Fokus auf die Chance, dass man zurückkomm­en kann.“

Die Begeisteru­ng rührt nicht nur aus zuletzt zehn Punkten. Sondern daher, dass das Team dem Überlebens­kampf plötzlich mit spielerisc­hen Mitteln begegnet. „Wir spielen das erste Mal seit vier Jahren Fußball“, sagte der wiedererst­arkte Mittelfeld­spieler Lewis Holtby. Titz rüffelte seinen Spielmache­r für die Aussage, weil er darin eine Abwertung der Arbeit seiner Vorgänger sah. Letztlich hat Holtby aber recht.

Titz hat mit tiefgreife­nden Maßnahmen ein neues Fußball-Gefühl vermittelt. „Wir mussten etwas Grundlegen­des ändern“, sagte er der „Sport Bild“. Er setzt verstärkt auf Kurzpasssp­iel statt auf lange Bälle nach vorn und nutzt dabei die Stärken von Spielern wie Holtby, Aaron Hunt, Luca Waldschmid­t oder Tatsuya Ito. Er holte Spieler aus der U21-Mannschaft, die dank ihrer Erfolgserl­ebnisse in der Regionalli­ga die Stimmung in der Kabine verbessert­en. Titz und sein Trainertea­m führten „Zielgesprä­che“mit den Spielern. Er habe mit jedem bestimmt, „wie wir ihre Position sehen, wie sie dort spielen sollen und was sie verbessern sollen“. Das Ergebnis: „Wir spielen einen ganz anderen Fußball. Er hat eine Philosophi­e, hinter der er steht“, beschrieb es Hunt. Und Titz lebt den Glauben an das Fußball-Wunder vor. Er ist überzeugt von dem, was er tut, und wirkt in sich ruhend.

„Wir spielen das erste Mal seit vier Jahren Fußball.“

HSV-Spielmache­r Lewis Holtby

über das neue System von Trainer Christian Titz

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FOTO: STEFFEN/DPA Mit Christian Titz als neuem Trainer hat beim Hamburger SV nicht nur Lewis Holtby (links) einen Leistungss­prung gemacht.

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