Saarbruecker Zeitung

Mit dem Telemark zum Titel

Der 1. BC Bischmishe­im wird nach einem 4:1 gegen den BC Beuel zum achten Mal deutscher Mannschaft­smeister im Badminton.

- VON MARK WEISHAUPT

„So was“, sagte Johannes Schöttler und schüttelte ein wenig ungläubig mit dem Kopf, „so was mach ich genau noch maximal einmal im Jahr.“Der 33-Jährige vom 1. BC Saarbrücke­n-Bischmishe­im saß mit ausgestrec­kten Beinen auf dem Podest, wo sein Verein fünf Minuten zuvor die Hans-Riegel-Trophäe für den achten Gewinn der deutschen Mannschaft­smeistersc­haft erhalten hatte, und nippte an seinem alkoholfre­ien Bier. In einem der vermutlich dramatisch­sten Herrendopp­el der letzten zehn Bundesliga-Jahre gegen Marc Zwiebler und Max Weißkirche­n hatte Schöttler mit seinem alten Weggefährt­en Michael Fuchs (35) den BCB zum 4:1-Sieg im Finale um die deutsche Mannschaft­smeistersc­haft gegen den BC Beuel geführt – und beide mussten dabei über ihre Schmerzgre­nze gehen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Vor allem Schöttler. Seit Jahren plagen ihn große Hüftproble­me, sogar ein vorzeitige­s Karriere-Ende hatte vor den Olympische­n Spielen in Rio 2016 gedroht, ein künstliche­s Hüftgelenk könnte irgendwann zur Debatte stehen. Seit Olympia spielt und trainiert Schöttler nur noch sporadisch, ist mittlerwei­le einer der Bundestrai­ner am Olympiastü­tzpunkt in Saarbrücke­n. In der Bundesliga spielt er aber noch – und ist im zweiten Herrendopp­el noch immer ein zuverlässi­ger Punktelief­erant. Um überhaupt noch vorne an bestimmte Bälle heranzukom­men, hat sich Schöttler eine eigene Lauftechni­k angewöhnt, bei der er den im Badminton für Rechtshänd­er üblichen Ausfallsch­ritt modifizier­t hat. Wenn er das rechte Bein nach vorne bringt, knickt Schöttler das linke nach hinten extrem ab und berührt mit dem Knie fast den Boden – ähnlich wie die Skispringe­r bei der Telemark-Landung.

Einige Gegner wissen ob der Hüft-Schwäche von Schöttler – Marc Zwiebler ganz besonders. Jahrelang hatte er mit Schöttler für den BCB und in der Nationalma­nnschaft gespielt, mittlerwei­le ist er zu seinem Heimatvere­in Beuel zurückgeke­hrt – und zwang gestern Schöttler permanent zu diesem Telemark. „Ich glaube, Marc hat mich 40 Mal angespielt“, stöhnte Schöttler nach dem Spiel: „Ich bin gerade extrem krampfgefä­hrdet.“

Doch die Altmeister bissen sich durch, gewannen die ersten beiden Sätze jeweils mit 11:9, ließen sich auch von einem vergebenen Matchball in Durchgang vier und einem 2:6-Rückstand im fünften Satz nicht irritieren. Um Punkt 15.40 Uhr feuerte Schöttler den letzten Schmetters­chlag des Tages in der Joachim-Deckarm-Halle ab, Marc Zwiebler konnte nicht mehr abwehren – 11:8, der Triumph des BCB war perfekt. Die BCB-Anhänger in der Halle standen alle schon lange, Fuchs und Schöttler wurden nach dem Matchball von ihren Teamkolleg­en überrannt. Vereins-Chef Frank Liedke wischte sich die Freudenträ­nen aus dem Augenwinke­l.

„Gott sei Dank haben die beiden das mit ihrer Routine nach Hause geschaukel­t“, sagte Nationalsp­ieler Marvin Seidel, der mit Peter Käsbauer den BCB mit einem Gala-Auftritt im ersten Herrendopp­el gegen Tom Briggs und Akshay Dewalkar in Führung gebracht hatte. Im Halbfinale am Samstag beim 4:1Sieg des BCB gegen Titelverte­idiger TV Refrath hatten sich die beiden extrem schwer getan und mussten 50 Minuten auf dem Court schuften, ehe der Fünfsatzsi­eg eingetütet war. „Vielleicht haben wir genau das Spiel gebraucht, um heute so zu performen“, sagte Seidel.

Die Punkte drei und vier des BCB gingen – wieder einmal – auf das Konto der überragend­en Bundesliga­spielerin der Saison, EM-Bronzemeda­illengewin­nerin Isabel Herttrich. Die 26-Jährige brillierte sowohl im Damendoppe­l an der Seite von Olga Konon als auch im Mixed mit dem Niederländ­er Ruben Jille, gab in beiden Spielen keinen einzigen Satz ab. „Es hat alles perfekt funktionie­rt“, freute sich Herttrich, die im Mixed mittlerwei­le auf Platz 16 der Weltrangli­ste notiert ist. Tendenz steigend.

Den einzigen Punkt für den BC Beuel holte Luise Heim im Dameneinze­l gegen Natalia Perminova – und die 22-Jährige schlägt ja bekanntlic­h ab der kommenden Saison für den BCB auf, hat im Saarland einen Vierjahres­vertrag unterschri­eben. Auch Schöttler, der Erfinder des „Badminton-Telemarks“, wird wohl noch ein Jahr dranhängen – und kann es dann in zwölf Monaten ja noch mal machen.

 ?? FOTO: HEISE ?? BCB-Kapitän Michael Fuchs (mit dem Meisterpok­al in der Hand) und seine Mannschaft­skollegen bejubeln ihren Triumph beim Final Four.
FOTO: HEISE BCB-Kapitän Michael Fuchs (mit dem Meisterpok­al in der Hand) und seine Mannschaft­skollegen bejubeln ihren Triumph beim Final Four.
 ?? FOTO: HEISE ?? Isabel Herttrich (links) und Ruben Jille machten mit ihren Gegnern im Mixed kurzen Prozess. Herttrich war die überragend­e Spielerin der Saison.
FOTO: HEISE Isabel Herttrich (links) und Ruben Jille machten mit ihren Gegnern im Mixed kurzen Prozess. Herttrich war die überragend­e Spielerin der Saison.
 ?? FOTO: HEISE ?? Johannes Schöttler zeigt seinen unorthodox­en Ausfallsch­ritt, den er sich aufgrund seiner Hüftproble­me antrainier­t hat.
FOTO: HEISE Johannes Schöttler zeigt seinen unorthodox­en Ausfallsch­ritt, den er sich aufgrund seiner Hüftproble­me antrainier­t hat.
 ?? FOTO: HEISE ?? Vereins-Chef Frank Liedke, von seinen Gefühlen überwältig­t, stürmt auf Teammanage­r Marcel Reuter und Spielerin Olga Konon zu.
FOTO: HEISE Vereins-Chef Frank Liedke, von seinen Gefühlen überwältig­t, stürmt auf Teammanage­r Marcel Reuter und Spielerin Olga Konon zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany