Die neue Mission des Herrn Dobrindt
Der Landesgruppenchef der CSU provoziert gerne und meist mit Absicht. So war es auch mit seinem Vorwurf der „AntiAbschiebe-Industrie“.
Wer austeilt, muss auch einstecken können. Nach diesem Prinzip macht Alexander Dobrindt Politik. Der CSU-Mann, der derzeit Gastgeber bei der Klausurtagung der Fraktionsvorstände von Union und SPD an der Zugspitze ist, eckt oft an. Selten unabsichtlich.
Dobrindt, 47 Jahre alt, hat eine neue Mission: Er will die AfD wieder kleinmachen, sie möglichst aus dem Bundestag drängen. Das erklärt, warum der CSU-Landesgruppenchef das Thema Zuwanderung zu seinem Hauptthema gemacht hat. Am Wochenende sorgte der frühere Verkehrsminister mal wieder für Aufregung, als er von einer „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“sprach, welche die Bemühungen des Rechtsstaats sabotiere. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, arbeite gegen den gesellschaftlichen Frieden. Rumms, ein typischer Dobrindt. Rumms, eine genervte SPD, eine auf Distanz gehende CDU – und eine zustimmende CSU. Ziel erreicht. Der Blätterwald rauschte mächtig.
Solche Sätze sind wohlkalkuliert, sie sind kein Zufall. Der Bayer achtet genau darauf, wann er welche Stichelei oder Attacke setzt. Im Vorfeld der SPD-Abstimmung über den Koalitionsvertrag nannte er den Widerstand der Jusos einen „Zwergenaufstand“, den die SPD-Führung endlich beenden müsse. Die Genossen waren erbost. Wenn Dobrindt sich einmischt, soll es dem anderen weh tun. Außerdem nimmt er für sich in Anspruch, dass er für die schweigende Mehrheit in seiner Partei spricht; er sieht sich als derjenige, der artikuliert, was an den Stammtischen im heimischen Oberbayern und darüber hinaus gedacht und gesprochen wird. Wohl wissend, dass sich die Wogen nach einigen Tagen im politischen Berlin dann auch wieder glätten. Und wenn Andrea Nahles auf dem SPD-Parteitag vom „doofen Dobrindt“spricht, fühlt er sich ausgezeichnet.
Der Bayer macht sich manchmal auch nur einen Spaß daraus, den politischen Gegner zu reizen. Das gehört für ihn zum Geschäft. Grundsätzlich gilt aber: Unter Kanzlerin Angela Merkel ist ihm die Union zu weit nach links gerückt, weswegen er kürzlich ein viel beachtetes Plädoyer für eine „konservative Revolution“hielt. Merkel, so seine Auffassung, hat die rechten Wähler verprellt. Das „Mitte-Konzept“der Christdemokraten, sagt Dobrindt, habe sich überholt. Ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP hätte den Trend wohl nur noch verstärkt, so dass sich Dobrindt gezielt die Rolle des „Problem-Sondierers“aneignete. Wann immer es ging, watschte er die von ihm ohnehin ungeliebten Grünen ab. Am Ende kam Jamaika nicht zustande, weil die FDP nicht wollte. Doch Dobrindt war daran nicht unschuldig. Das Verhältnis zu FDP-Chef Christian Lindner gilt jedenfalls als eng.
Sein politisches Profil hat der Diplom-Soziologe in letzter Zeit eindeutig geschärft. Das war auch nötig, denn in der Partei ist Dobrindt bisher nicht sonderlich beliebt gewesen. Jetzt gibt der Mann, der untypischerweise für einen CSU-Politiker nicht bei der Bundeswehr war, sondern Zivildienst geleistet hat, den Rechtsaußen. Weil er zurück will in die Zeit, in der es rechts von der Union keine ernstzunehmende Kraft gegeben hat. Dafür arbeitet er nun hart – und laut.
Wenn Andrea Nahles auf dem SPD-Parteitag vom „doofen Dobrindt“spricht, fühlt er sich
ausgezeichnet.