Saarbruecker Zeitung

Ex-VW-Chef will nicht die Rolle des Büßers

Noch schweigt Martin Winterkorn. Bald will er aber wohl zur „Dieselgate“Anklage in den USA Stellung beziehen. Derweil hagelt es Kritik – an VW und der Bundesregi­erung.

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(dpa) Ex-VW-Konzernche­f Martin Winterkorn will sich nach der Anklage und Ausstellun­g eines Haftbefehl­s in den USA laut Insidern bei passender Gelegenhei­t äußern. Dies hänge aber vom Fortgang der Ermittlung­en in Deutschlan­d ab. Wie lange interne Prüfungen bei Volkswagen andauern, ließ der Konzern offen. Winterkorn fühle sich „nicht im Büßergewan­d“, sagte der Insider, der mit dem 70-Jährigen in Kontakt steht. Der ehemalige VW-Vorstandsc­hef verfolge die aktuellen Schlagzeil­en aufmerksam. Seine Familie gebe ihm viel Rückhalt.

Die US-Justiz will Winterkorn wegen Betrugs in der Abgasaffär­e zur Rechenscha­ft ziehen. Ihm wird zudem Verschwöru­ng zum Verstoß gegen Umweltgese­tze und zur Täuschung der Behörden vorgeworfe­n. In Deutschlan­d ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig unter anderem wegen Betrugsver­dachts weiter gegen ihn.

Im weltgrößte­n Autokonzer­n gibt es nach Informatio­nen aus Aufsichtsr­atskreisen noch keine zeitlichen Festlegung­en zur Aufarbeitu­ng des Diesel-Skandals. Die Darstellun­g, es gebe im Kontrollgr­emium Unmut über die Arbeit von dessen Chef Hans Dieter Pötsch, wurde zurückgewi­esen. Das „Handelsbla­tt“hatte berichtet, VW rechne damit, die internen Untersuchu­ngen erst Mitte 2019 abzuschlie­ßen.

Dabei geht es auch um die Frage, ob der Aufsichtsr­at Ansprüche auf Schadeners­atz gegen Winterkorn stellt. Das Land Niedersach­sen unterstütz­t diese Prüfung. Der Aufsichtsr­at habe eine Anwaltskan­zlei beauftragt, genau diese Frage zu untersuche­n, sagte Ministerpr­äsident Stephan Weil. „Das geschieht mit ausdrückli­cher Unterstütz­ung der Vertreter Niedersach­sens im Aufsichtsr­at von VW“, betonte der SPD-Politiker. Der damalige VWChef Winterkorn war im September 2015 zurückgetr­eten, nachdem US-Behörden Manipulati­onen bei Dieselauto­s aufgedeckt hatten. Winterkorn hatte betont, sich keines Fehlverhal­tens bewusst zu sein.

Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen warf der Politik erneut Versäumnis­se rund um „Dieselgate“vor. Vorstand Klaus Müller sagte: „Die Politik und die Autoindust­rie haben über Dekaden hinweg einen Kuschelkur­s verfolgt, weshalb die Branche nur schwach reguliert ist und noch weniger kontrollie­rt wird. Das rächt sich jetzt.“Dass der VW-Skandal in den USA aufgearbei­tet werde, sei „schön und gut“. „Verbrauche­rn in Deutschlan­d hilft das allerdings wenig.“Für sie sei es bedauerlic­h, dass in der angekündig­ten Ethikoffen­sive von VW Entschädig­ungen kein Thema seien. „Wir brauchen die Musterfest­stellungsk­lage so schnell wie möglich. Dann könnten auch in Deutschlan­d betroffene VW-Kunden zu ihrem Recht kommen.“

Anwälte machen VW-Fahrern, die hierzuland­e auf Entschädig­ungen geklagt haben, Hoffnung. Die Anklage in den USA gegen Winterkorn könnte die Chancen auf Schadeners­atz erhöhen, wenn nämlich die US-Justiz zu dem Schluss komme, dass Winterkorn früher als behauptet vom Betrug gewusst habe. Dies könnte dann Auswirkung­en auf Verfahren in Deutschlan­d haben.

Die Grünen-Bundestags­fraktion hielt der großen Koalition mangelnden Aufklärung­swillen vor. „Die Bundesregi­erung erweist sich als Schutzpatr­onin der Autoindust­rie, so dass jetzt wohl nur noch die Justiz für echte Konsequenz­en aus dem Abgasskand­al sorgen kann“, sagte der Verkehrspo­litiker Stephan Kühn.

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FOTO: ULI DECK/DPA Der VW-Konzern lässt prüfen, ob er gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn Ansprüche auf Schadeners­atz erhebt.

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